Rot wie Schnee
Armas suchte einen Laden in der Salagatan auf. In der Stadt gibt es vier Tätowierer. Drei davon hatte ich schon geprüft, aber dieser hatte geschlossen. Ferien.«
»Und er kann sich an Armas erinnern?«
»Sehr gut. Er erinnert sich an die Tätowierung und an die Narbe auf dem Rücken.«
»Welche Narbe?«
Fredriksson sah Lindell erstaunt an.
»Da hast du aber flüchtig gelesen. Armas hatte eine Narbe direkt unterm Schulterblatt, vielleicht von einem Messer.«
Lindell spürte, wie ihr heiß wurde. Das war ihr entgangen.
»Ach ja, genau, jetzt fällt es mir wieder ein.«
»Er wollte noch eine Tätowierung haben, auf dem anderen Arm. Die, von der wir die Reste sahen, gab es schon.«
»Aber dazu kam es nicht mehr. Hat Armas sich zu der geäußert, die er bereits hatte?«
»Er meinte lediglich, die sei sehr passend. Der Tätowierer schlug die Figur im Internet nach. Sie stellt eine mexikanische Gottheit mit einem ewig langen Namen dar.«
Fredriksson legte ein Blatt Papier vor sie auf den Schreibtisch, das eine Kopie der Tätowierung zeigte. Abgebildet war |240| ein Tier, das zu tanzen schien – oder war es ein Mensch? Auf dem Rücken hingen Federn.
»Die sei sehr passend«, wiederholte Ann Lindell gedankenverloren und betrachtete die Figur. »Und das soll eine mexikanische Gottheit darstellen? Wir müssen mit Slobodan Andersson reden. Dass die beiden vor einigen Jahren im Ausland waren, wissen wir ja. Vielleicht waren sie auch in Mexiko.«
Fredriksson stand auf und seufzte.
»Wie geht es dir, Allan?«
»Ich hab vermutlich Berglunds Mist bekommen«, seufzte er. »Übernimmst du Mexiko?«
Lindell nickte.
»Danke«, rief sie Fredriksson hinterher, der schon den Gang hinunterging.
Was mochte so sehr passend sein? Eine tanzende Figur aus Mexiko.
Quetzalcóatl
hatte Fredriksson aufgeschrieben. Was bedeutete die für Armas, und was bedeutete die heutzutage? Dem Mörder hatte sie ganz offensichtlich etwas bedeutet. Lindell wusste überhaupt nichts über Mexiko, nur dass die Hauptstadt für Asthmatiker gefährlich war. Außerdem hatte sie es hier mit einer mythologischen Figur zu tun, deren Namen sie nicht aussprechen konnte und die ihr nichts sagte.
Warum? Immer wieder die Frage: warum? Warum eine Tätowierung entfernen, die eine mexikanische Gottheit darstellt?
Sie griff nach dem Telefon, um Slobodan Andersson anzurufen, ließ es dann aber sein. Es war sicher besser, ins »Dakar« zu gehen. Deshalb telefonierte sie mit Görel.
»Hast du Lust auf einen Restaurantbesuch?«
»Das weißt du doch!«
»Wir gehen auf Erkundungstour.«
»Na endlich.«
»Glaubst du, Margot könnte Lust haben, auf Erik aufzupassen?«
|241| »Dazu hat meine Schwester immer Lust«, sagte Görel. »Ich rufe sie sofort an.«
Sie verabredeten, sich um sieben am Stora Torget zu treffen.
»Erkundungstour«, wiederholte Görel, dann legte sie auf.
Danach führte Ann noch eine Reihe Telefonate, das erste mit Schönell, der sich mit Armas’ Videos beschäftigte. Er war gut hundert Bänder durchgegangen, hatte aber nichts Aufsehenerregendes entdeckt. Die meisten waren Action- und Kriegsfilme.
»War etwas über Mexiko dabei?«
»Irgendein mexikanischer Film, meinst du?«
»Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich meine.«
»Nichts aus der Ecke, glaube ich. Vor allem hab ich ja auf Porno geachtet. Aber ich kann noch mal die Schutzhüllen durchsehen, ob was Mexikanisches dabei ist«, sagte Schönell.
»Super, danke«, sagte Lindell und legte auf.
Als Nächstes rief sie Barbro Liljendahl an. Die war in Järlåsa auf der Jagd nach einem Hehler, hatte aber nur Pfifferlinge gefunden.
»Jede Menge Pfifferlinge, direkt an der Straße. Alles gelb. Heute Abend hole ich Janne ab, und dann fahren wir hierher. Er liebt Pilze.«
»Prima«, sagte Lindell. Aber die Begeisterung der Kollegin und dass es einen Janne gab, ärgerte sie. Die aufgeregte Stimme empfand sie als unangenehm, fast abstoßend.
»Ich wollte nur mal hören, ob es was zu Rosenberg gibt.«
»Der war vor allem sauer wegen des Mercedes. Jemand hat sich ein Vergnügen daraus gemacht, den Lack zu zerkratzen. Rosenberg behauptet, er habe sich den Wagen für Geld gekauft, das er beim Wetten gewonnen hat.«
»Und der Kontakt zu Sidström?«
»Sie seien nur Kumpel gewesen, behauptet er, bekam aber |242| einen gewaltigen Schreck, als ich ihm erzählte, sein Kumpel läge mit einer Stichwunde im Krankenhaus.«
»Was glaubst du?«, fragte Lindell.
»Drogen«, antwortete Liljendahl.
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