Rot wie Schnee
hatte das alte Postamt gemietet. Die Wahl war gut getroffen, denn es lag zentral, und vor allem kannten es alle. Die Aushänge hatte ein guter Freund während der Arbeit ausgedruckt. Helen hatte auch für Kaffee und Gebäck gesorgt und die Polizei eingeladen, um vor der Versammlung über Drogen zu sprechen.
Eva hatte vorgeschlagen, Politiker einzuladen. Aber das hatte Helen von sich gewiesen.
»Das hier stellen wir allein auf die Beine«, sagte sie. »Würden die ihren Auftrag ernst nehmen, sähe die Schule nicht so aus, wie sie es jetzt tut, oder? Bald gibt es für jede Kommune nur noch einen Schulpsychologen. Und es müsste wohl auch ein Jugendzentrum geben, das seinen Namen verdient, finde ich.«
Helen zählte alles auf, wofür die Politiker in ihren Augen sorgen müssten. Eva war das nichts Neues, und je länger Helen redete, umso müder wurde sie.
Eva fing beim eigenen Wohnblock an, sie ging von Eingang zu Eingang und klebte die gelben Zettel an die Haustüren. Das machte sie im ganzen Wohnviertel, bis hinunter zum Supermarkt und zur Pizzeria.
Vor dem Geschäft traf sie Bekannte. Ihr waren die Zettel mit den albernen Formulierungen peinlich. Aber nachdem sie einiges an positivem Feedback erhalten hatte, wurde sie immer freimütiger.
|226| »Schön, dass endlich mal jemand was Gescheites unternimmt«, sagte eine Mutter, die sie vom Fußballtraining kannte.
Ihr war klar, dass sich in Sävja und Bergsbrunna in Windeseile das Gerücht verbreiten würde, Hugos und Patriks Mutter liefe mit Zetteln herum wie die Zeugen Jehovas, und sie fragte sich, was ihre Söhne wohl dazu sagten. Sie würden sich schämen, dessen war sich Eva sicher. Aber von den positiven Rückmeldungen angeregt, ging sie auf dem Heimweg in die Vorschule, sprach mit Mitarbeitern und konnte auch dort ihr Flugblatt aufhängen.
Kaum war sie zu Hause, rief Helen an.
»Irre gut«, sagte sie. »Dass die Zettel gelb sind, passt perfekt. Und noch was. Ich hab Mossas Mutter überredet, das Flugblatt ins Arabische zu übersetzen. Sie schreibt es auf. Glaubst du, wir sollten es auch auf Kurdisch haben? Was ist das für eine Sprache, die der in Nummer fünf spricht?«
»Alis Familie ist aus Teheran.«
»Wenn wir nicht die Ausländer alle mit einbeziehen, funktioniert es nicht. Dann wird es wie in Frankreich.«
Eva versprach, mit der Familie in der Fünf zu reden, und beendete das Gespräch. Erschöpft sank sie aufs Sofa. Auf dem Fußboden lag die Zeitung, die sie neulich abends gelesen hatte. Sie nahm sie und blätterte vor bis zu dem Artikel über den Segler vor der südamerikanischen Küste. Sie versuchte, sich tropische Hitze vorzustellen und einen Strand mit feinem weißen Sand unter den nackten Füßen, und lächelte unwillkürlich. Sie wusste, das waren Träume, und sie würde nie weiter als bis zu den Kanarischen Inseln kommen, wenn überhaupt. Auf einem besonderen Konto hatte sie viertausendsechshundert Kronen angespart. Im letzten Herbst waren es noch fast siebentausend gewesen, aber vor Weihnachten hatte sie Geld davon nehmen müssen.
Sie wollte gern zusammen mit Patrik und Hugo reisen. Im |227| Grunde eilte es, denn bald waren die Söhne zu alt dafür. Es tat weh, dass sie ihnen nicht mehr bieten konnte. Sie hörten von Klassenkameraden, dass die zwei Mal im Jahr verreisten. Einmal war dem so loyalen Hugo die Bemerkung herausgerutscht, es sei ungerecht, dass sie nie weiter als bis Värmland fahren könnten.
Aber vielleicht würde es jetzt ja anders. Donald hatte etwas davon gesagt, dass sie in der Küche noch Unterstützung bräuchten, jemanden, der sich um den Abwasch kümmerte. Derzeit mussten diejenigen, die servierten, die Spülmaschinen beschicken und die Bar mit Gläsern versorgen. Aber im Hinblick darauf, dass ständig mehr Gäste kamen und Eva noch keine Übung hatte, war es im Moment aufreibend. Vielleicht konnte sie einige Abende im Monat zusätzlich arbeiten und ein bisschen Geld beiseitelegen?
Gleich musste sie zur Arbeit. Als sie an Donald und seinen Widerstand gegen die Gewerkschaft dachte, lächelte sie. Vielleicht sollte sie Helen auf ihn ansetzen?
Obwohl sie gegen die Aktion der Freundin Vorbehalte hatte, fühlte sie sich gestärkt. Man konnte von Helen sagen, was man wollte, aber sie war fantastisch darin, Dinge auf die Reihe zu bringen. Auch wenn Evas Hoffnungen in Bezug auf die Versammlung in der Post gering waren. Es würde sicher nicht den Zustrom geben, mit dem Helen rechnete. Gegen ein »Müllhaus« im
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