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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Axel Lindman sie wiedererkannt hatte, aber er wollte keinen Kontakt. Dafür kam nur ein Grund infrage: Er war im Dienst. Denn er fürchtete doch wohl nicht, dass sie ihn vor der Frau blamieren würde? Nein, beschloss Lindell, Axel Lindmans Anwesenheit hatte dienstliche Gründe.
    War er an Rosenberg interessiert? Oder an dem dunkel gekleideten Mann? Oder vielleicht an jemand ganz anderem? Slobodan Andersson? Sekundenlang überlegte sie, im Präsidium anzurufen, und die diensthabenden Beamten zu bitten, |253| sich in Västerås zu erkundigen, warum Lindman in Uppsala war. Aber ihr war schnell klar, dass sie solche Information nicht auf einen einfachen Anruf hin bekommen würde.
    Auf dem Weg zurück ließ sie den Kollegen links liegen und konzentrierte sich stattdessen auf Rosenbergs Begleiter. Jetzt konnte sie ihn genau betrachten. Er beugte sich vor und sagte etwas zu Rosenberg. Lindell ahnte die Gereiztheit hinter seinem glatten Äußeren. Ihre Intuition sagte ihr, dass der unbekannte Mann richtig aufgebracht war, sich aber sehr bemühte, das nicht zu zeigen.
    Sie kannte ihn nicht. Er hatte ein Äußeres, an das man sich erinnerte, ein kräftiges Kinn und einen Blick, der Stahl zu schneiden vermochte. Das ist kein guter Mann, dachte sie und benutzte damit einen Ausdruck ihres Kollegen Berglund.
     
    Anfangs aßen sie schweigend. Das Zanderfilet war perfekt, die etwas süße gedünstete Paprika und der vorsichtig gebratene Reis   – Lindell dachte zunächst, das sei ein Fischstäbchen – waren eine fantastische Ergänzung zum Fisch. Man konnte von Slobodan Andersson sagen, was man wollte, doch das Essen in seinem Restaurant war erstklassig.
    Zum Zanderfilet trank sie einen trockenen Weißwein von der Loire, den die Kellnerin empfohlen hatte. Sie hätte gern noch ein zweites Glas getrunken, aber sie musste ja wachsam bleiben.
    Görel besorgte das Reden, und Ann fiel es schwer, sich zu konzentrieren und ihr zuzuhören. Die Freundin kam vom Job auf die Weltpolitik, sie wurde immer heftiger und wechselte die Themen immer schneller.
    Rosenberg und der Unbekannte diskutierten heftig. Axel Lindman und seine Begleiterin waren beim Kaffee angelangt. Lindell bildete sich ein, dass der Kollege hinter seiner entspannten Fassade jede Replik und jeden Stimmungswechsel am Nachbartisch aufmerksam verfolgte. Sie meinte, die Spannung |254| im Restaurant zu spüren. Die drei Tische waren wie durch ein unsichtbares Netz untereinander verbunden.
    Slobodans hastiger Aufbruch hing augenscheinlich mit der Anwesenheit der beiden Männer zusammen. Wie war das zu interpretieren? Lindell glaubte, dass er von den beiden nicht gesehen werden wollte. Sie grübelte über das Motiv nach, aber es gab zu viele Unbekannte, um damit weiterzukommen. Vielleicht kannte ja Axel Lindman die Antwort?
    »Lass uns bald bezahlen«, sagte sie, und Görel sah sie erstaunt an.
    »Bekommen wir kein Dessert?«
    »Ich bin zu satt«, sagte Ann, »und außerdem sehr müde.«
    »Bist du sauer?«
    »Überhaupt nicht.«
    Es war ihr unbegreiflich, warum es ihr dermaßen widerstrebte, Görel zu erzählen, dass sie das »Dakar« gleich nach Lindman verlassen wollte. Sie wollte ihn unbedingt sofort kontaktieren und konnte vor lauter Neugier, weshalb er in Uppsala und im »Dakar« war, Görel nur zerstreut zuhören.
    Sie winkte der Kellnerin, bestellte zwei Espresso und bat um die Rechnung. Dabei hatte sie der Freundin gegenüber ein schlechtes Gewissen. Es war ungerecht, dass sie Görel gleich bitten würde, allein nach Hause zu fahren, während sie mit Lindman sprach. Könnte das Gespräch nicht bis morgen warten? Aber sie spürte, dass etwas im Busch war, und sie wollte die Antwort auf ihre Fragen schon heute Abend haben.
    »Es tut mir leid, wenn ich dich gekränkt habe«, sagte Görel. »Ich schwatze so drauflos.«
    »Davon kann keine Rede sein«, entgegnete Lindell, wusste aber, dass es nicht stimmte. Sie hatte sich über Görels Bemerkungen geärgert, hatte sie als vorlaut empfunden. Natürlich müsste sie einen Mann kennenlernen. Oft, wenn sie abends allein zu Hause war, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass der Mann ihres Lebens zur Tür hereinkäme und sich |255| zu ihr aufs Sofa setzte. Aber wie kam Görel dazu, ihr so aufdringlich Ratschläge zu erteilen? Sie, die mit ihrer großen Liebe zusammenlebte, müsste doch Verständnis haben. Einen Mann wie Edvard traf man nur einmal im Leben. Dass er »sozial behindert« war, spielte dabei keine Rolle. Was wusste

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