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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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weiße Jacke angezogen.
    »Jetzt geht’s auf Erkundungstour«, sagte Görel, als sie sich am Stora Torget trafen.
    Ann Lindell hatte Erik im Kindergarten abgeholt und direkt zu Görels Schwester gebracht, wo er übernachten sollte. Dann war sie nach Hause gefahren, um sich umzuziehen.
    Der Regen überraschte sie. Es goss in Strömen, und bald stand das Wasser auf der Straße.
    »Woher kam denn diese Wolke?«, fragte Görel erstaunt.
    Ann Lindell starrte zum Himmel. Sie hatten sich in einem Hauseingang an der Svartbäcksgatan untergestellt.
    Der Schauer hörte genauso plötzlich auf, wie er begonnen |248| hatte. Unsicher, ob sie sich auf die Wetterkapriolen verlassen konnten, rannten sie die Straße hinunter.
    Als sie sich dem »Dakar« näherten und sogar die Sonne wieder zwischen den Wolken hervorlugte, verlangsamten sie ihre Schritte und gingen gemächlich das letzte Stück bis zum Restaurant.
    Lindell hatte Görel nichts vom Zweck des Besuchs erzählt. Die Freundin ahnte wahrscheinlich, dass mit ihrer Einladung ein Hintergedanke verbunden war.
    »Heute bezahle ich, damit du es nur weißt«, wiederholte Lindell, als sie das Lokal betraten.
    »Klar doch«, sagte Görel. »Damit hab ich kein Problem.«
    Das Restaurant war recht gut besetzt. Sofort kam eine Kellnerin auf sie zu und brachte sie zu einem Tisch am Fenster. Lindell sah sich um.
    »Das Auskundschaften geht schon los«, lachte Görel.
    Ganz hinten im Lokal, teilweise von einem Pfeiler verdeckt, saß ein Mann, der Lindells Interesse auf sich zog. Sie ließ den Blick zu ihm hinüberwandern und langte dann nach der Speisekarte, die ihr die Kellnerin hingelegt hatte.
    »Ich nehme Lamm.« Görel hatte sich schon entschieden. »Das esse ich so selten.«
    Lindell studierte die Karte und fragte sich, wo sie den Mann schon mal gesehen hatte. Sie wusste, dass es in dienstlichem Zusammenhang gewesen war, konnte das bekannte Gesicht aber nirgendwo unterbringen.
    »Was nimmst du?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Lindell, die nicht sonderlich hungrig war. »Vielleicht Zander.«
    Die Kellnerin kam zurück und nahm ihre Bestellung für Getränke auf. Lindell entschied sich für Lättöl, ein fast alkoholfreies Bier. Görel bat um ein Glas Weißwein. Sie trank gleich einen großen Schluck.
    Lindell beugte sich vor. Der Mann hatte sich zurückgelehnt |249| und war nun fast vollständig von dem Pfeiler verdeckt. Plötzlich fiel es Lindell ein. Das war ein Kollege, Axel Lindman, er gehörte zur Kriminalpolizei von Västerås. Sie waren sich vor einem halben Jahr in der Polizeihochschule begegnet.
    »Hast du jemanden im Visier?«, fragte Görel, der Lindells Zerstreutheit natürlich nicht entging.
    »Nein, nur einen Kollegen, der neulich während einer Konferenz auf mich gestoßen ist.«
    »Du meinst den in dem dunkelblauen Anzug mit dem gelben Schlips, der Rotwein trinkt?«
    Lindell sah Görel verdutzt an.
    »Der sieht ja klasse aus. Ist er auf dich gestoßen? Und du wurdest natürlich gleich kalt wie ein Schneemann. Ist er verheiratet?«
    Görel trank einen Schluck Wein und betrachtete dabei diskret den Mann.
    »Glaub ich nicht.«
    »Dann gibt es wohl keinen Zweifel.«
    »Er ist nicht mein Typ.«
    Ann Lindell gefiel die Wendung nicht, die das Gespräch nahm.
    »Zum Wohl«, sagte sie und hob ihr Glas.
    Görel trank noch einen Schluck, und plötzlich war das Glas leer, aber sie machte unverdrossen weiter.
    »Wer ist denn dein Typ? Jetzt sag nicht Edvard, denn dann schrei ich. Du musst um Gottes willen endlich mal aufhören, an dieses Landei zu denken.«
    Sie war lauter geworden, und das Paar am Nachbartisch schaute neugierig herüber.
    »Der trottet mit einer Neunzigjährigen da draußen auf Gräsö herum«, sagte Görel und hob ihr Glas als Zeichen für die Kellnerin. »Der ist und bleibt eine trübe Tasse. Vor etlichen Jahren war das mal nett und schön, aber du lebst hier und jetzt. Es gibt jede Menge nette Typen, der Kerl da drüben zum |250| Beispiel ist doch echt lecker. Aber du trauerst immer noch einem sozial behinderten Provinzei nach. Was soll das!«
    Ann Lindells erste Reaktion war Wut, aber dann hätte sie sich beinahe geschämt. Nur als sie die zufriedene Miene der Freundin sah, unterdrückte sie die Gefühle ganz schnell. Aus ihrem Protest wurde auch nichts, denn in dem Moment kam die Kellnerin und brachte Görel ein neues Glas Wein.
    »Ich nehme auch ein Glas«, sagte Lindell.
    »Hab ich nicht recht«, griff Görel das Thema wieder auf, nachdem die

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