Rot wie Schnee
den Herden, dann geht das vorüber.
Alles geht vorüber, dachte sie, und schwang sich wieder aufs Fahrrad. Schon das minimale Gefälle von der Brücke zur Östra Ågatan ließ sie Johnnys bekümmertes Gesicht vergessen. Sie hätte am liebsten die Beine ausgestreckt, wie sie es als junges Mädchen getan hatte, und wäre so bis zum »Dakar« gerollt. Allerdings waren es bis dahin noch fünfhundert Meter, und stellenweise ging es wieder aufwärts.
|245| In der Küche saß ein fremder Mann. Eva gefiel sein Äußeres nicht, er erinnerte sie an einen Verbrecher in einem amerikanischen Film, sie hatte das Video zusammen mit Helen angeschaut. Er hob den Kopf und sah sie kurz an.
»Hallo«, sagte sie und knuffte Feo.
»Das ist Manuel. Also ich nenne ihn Mano«, sagte Feo. »
La mano
, die Hand, die uns beim Abwasch helfen wird.«
»Okay«, sagte Eva und nickte dem Neuen zu.
»Jetzt musst du Spanisch oder Englisch sprechen. Er kommt aus Venezuela.«
»Venezuela«, wiederholte sie.
Ihr fiel die Reportage vom Segeln in der Karibik ein, und sie betrachtete ihn genauer. Er strahlte auch so etwas wie Trauer aus. Keine Trübsal, die nach außen gerichtet ist, sondern eine verschlossene, beinahe krampfhaft verhaltene Trauer. Die Hände ruhten ineinander verschränkt auf dem Schoß, und sein wachsamer Blick vermittelte den Eindruck eines Menschen, der beim geringsten Anzeichen von Unruhe oder Gefahr aufspringen und aus der Küche rennen würde.
Auf einmal war Eva unbehaglich zumute. Was hatte er im »Dakar« zu suchen? War das ein alter Freund Feos?
»Wenn Slobbo mitmacht«, fügte Feo hinzu.
In dem Moment kam Donald mit einer Flasche Mineralwasser von der Bar in die Küche.
»Ich kann ihn anstellen«, sagte er, »und das geht den Jugokläffer einen Dreck an. Wir brauchen Leute, verdammt noch mal, wir gehen ja auf dem Zahnfleisch.«
»Du bist angestellt«, sagte Feo auf Spanisch und lächelte triumphierend, dann blinzelte er Eva zu und zuckte mit den Achseln.
Manuel stand auf.
»Wo soll ich arbeiten?«
»Dort«, antwortete Donald plötzlich auf Spanisch und machte ihm ein Zeichen. »Feo wird dir zeigen, wie es geht. |246| Schau dir jetzt alles an und komm um halb sieben wieder. Verstanden?«
Manuel nickte.
»Ich wusste gar nicht, dass du Spanisch kannst«, sagte Feo.
»Ich hab auf Malle gearbeitet«, erklärte Donald.
Feo und Manuel verschwanden in der Spülküche. Eva sah ihnen nach. Feo schien seine Rolle als Mentor zu mögen. Der Neue nahm alle Informationen aufmerksam, aber stumm in sich auf, dann nickte er und wiederholte, was Feo gesagt hatte.
»Der wird schon gut«, sagte Feo. »Wenn er wiederkommt.«
Slobodan Andersson wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Verdammt heiß«, schnaufte er.
Niemand hatte gesehen oder gehört, dass er gekommen war. Plötzlich stand er einfach in der Küche. Er hatte das »Dakar« durch den Personaleingang betreten, auf demselben Weg, auf dem Manuel kurz zuvor das Restaurant verlassen hatte.
Donald berichtete, er habe einen Neuen für den Abwasch angestellt, der jeden Abend für einige Stunden aushelfen könnte.
»Sonst läuft es nicht, Tessie und Eva können doch nicht wie verdammte Antilopen zwischen dem Restaurant und der Spülküche hin und her rennen. Und wir haben dafür keine Zeit. Nur damit Sie Bescheid wissen.«
Entgegen allen Erwartungen erhob der Wirt keine Einwände.
»Jaja, das wird schon«, sagte er nur und fingerte an einem Stoß Teller herum. »Waren die Bullen hier?«
»Die sind sauber«, sagte Donald.
Slobodan Andersson blickte auf, öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, überlegte es sich anders und nahm stattdessen nur die Finger von den Tellern.
|247| »Wenn die Bullen herkommen, will ich sofort informiert werden.«
»Haben Sie was Neues gehört?«, fragte Feo.
»Die Schweine machen mich verdammt nervös.« Die Worte rutschten dem Wirt raus. »Man bekommt einfach keine Ruhe!«
So plötzlich, wie er gekommen war, verließ er die Küche, und sie hörten, wie er den Barkeeper Måns anschnauzte. Der musste häufig als Blitzableiter für Slobodans Frustrationen herhalten.
Alle erstaunte Slobodan Anderssons Desinteresse für die Situation in der Küche. Auch wenn bei Anstellungen früher immer Armas das letzte Wort gehabt hatte, wollte Slobodan Andersson doch stets mitreden. Aber jetzt schien der Wirt weder genug Fantasie noch genug Energie zu haben, um sich einzuschalten.
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L indell hatte ein schwarzes Kleid und eine kurze
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