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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Messer wieder in den Besteckkorb, drehte sich um und öffnete die Spülmaschine. Heißer Wasserdampf strömte heraus.
    »Am schlimmsten ist die Ungewissheit«, sagte er und räumte Gläser von einem Tablett.
    »Ich hab bei null angefangen«, fing Slobodan Andersson wieder an und hob die Hände, wie um mit der Geste seine Ausgangsposition zu illustrieren. »Genau wie du. Ich hab geschuftet wie ein Tier, ich hatte so viel Angst, dass ich mich beinahe vollgepinkelt hätte. Ich hab gekämpft, hab was aufgebaut, und ich will nicht, dass irgend so ein verdammter Idiot kommt und alles kassiert. Verstehst du, was ich meine? Irgendeine Gerechtigkeit muss es doch wohl geben? Mir ist nichts geschenkt worden, gar nichts. Arbeit, Arbeit, Arbeit. |269| Tag und Nacht, jahrein, jahraus. Und was ist der Dank? Die Behörden jagen einen, Steuern wollen sie von einem haben, um sich selbst zu mästen. Damit sie auf ihren fetten Ärschen sitzen und in der Nase bohren können. Sauber muss es sein wie in einem Labor, sonst machen sie dir den Laden dicht. Und die Gewerkschaft ist hinter einem her, als würde man nur aus Geld bestehen. Und für alles gibt es verdammte Bestimmungen! Ich hab nie Überstunden bezahlt bekommen oder Urlaubsgeld. Ich war froh, wenn ich einen Job hatte.«
    Slobodan Andersson stützte sich an der Arbeitsfläche ab und stand auf. Dann fuhr er fort.
    »Ich sorge doch für verdammte Jobs! Weißt du, wie viele ich angelernt hab? Wie vielen ich einen Lebensunterhalt gegeben hab? Ja, so ist das. Ich hab für alle gesorgt, die selbst nicht den Mumm hatten, was Eigenes auf die Beine zu stellen.«
    Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schlug er mit der Hand auf die Arbeitsfläche.
    »Ich mach die Menschen froh. Die kommen her, wollen essen und trinken, wollen für kurze Zeit vergessen, dass wir in einer verdammten Diebsgesellschaft leben. Ich bin ein großzügiger Mensch, aber für solche gibt’s keinen Platz. Alle wollen nur so viel wie möglich kriegen, ohne sich anstrengen zu müssen.«
    So plötzlich, wie er seine Tirade begonnen hatte, so plötzlich verstummte er und sank auf den Schemel zurück. Er betrachtete seine Hände, musterte die Nägel und die Knöchel.
    »Undankbar«, flüsterte er auf Schwedisch.
    Manuel wusste nicht, ob er die Gelegenheit nutzen, seine Identität preisgeben und ihm sagen sollte, dass er gekommen war, um Patricios Geld einzutreiben. Aber er beschloss abzuwarten. Ein neuer Gedanke hatte langsam Gestalt angenommen und versprach, erheblich mehr zu bringen.
    Er wollte Slobodan Andersson nicht töten, nur sein Geld nehmen und ihn dann vernichten. Dieser jämmerliche Mann |270| auf dem Hocker konnte ruhig noch ein paar Tage länger leiden und sich quälen.
    »Ich bin jetzt fertig«, sagte Manuel und schob den letzten Geschirrkorb in die Maschine.
    Er sehnte sich nach der Ruhe beim Zelt, aber vielleicht musste er erst noch etwas tun, ehe er gehen konnte. Er warf einen Blick in die Bar. Feo saß am Tresen und hatte ein Bier vor sich. Måns sagte irgendetwas, worauf Feo lachen musste und sich im Restaurant umsah.
    Manuel wurde auf den Portugiesen eifersüchtig. Sein Lächeln war echt. Er sprach so liebevoll von seiner Frau und dem Kind, das war nicht verstellt. Ihm gefiel seine Arbeit, mit einem Lachen kochte er, und so, wie er sich bewegte, schien er mit dem Glück im Bund zu sein.
    Slobodan Andersson in seinem Rücken hustete, und Manuel drehte sich um. Der Dicke starrte mit hängendem Kopf vor sich hin. Spucke glänzte im Mundwinkel. Wieder empfand Manuel so etwas wie Mitleid.
    Da ging die Tür zum Restaurant auf, und Tessie kam herein. Sie schielte zu Slobodan Andersson hinüber, der zusammengesunken auf dem Schemel hockte, und lachte laut.
    »Bist du der Babysitter?«, fragte sie, und ihr amerikanischer Akzent versetzte Manuel nach Kalifornien.
    »Wach auf«, fuhr sie fort, und ohne sich weiter um Manuel zu kümmern, packte sie Slobodan Andersson an der Schulter und schüttelte ihn. »Zeit, nach Hause zu gehen. Ich ruf ein Taxi.«
    Der Wirt schüttelte den Kopf.
    »Ich kann nicht   …«
    »Natürlich kannst du«, unterbrach ihn Tessie.
    »Da draußen ist wer«, nuschelte Slobodan Andersson.
    »Wovon redest du? Sollst du jemanden treffen?«
    Slobodan Andersson versuchte aufzustehen, sank aber gleich wieder zurück. Tessie seufzte.
    |271| »Da muss man schon immerzu die Gäste hofieren, und dann soll man für den Kloß hier auch noch Kindermädchen spielen.«
    »Er findet, du solltest dankbar

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