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Rot wie Schnee

Rot wie Schnee

Titel: Rot wie Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sein, dass du einen Job hast«, sagte Manuel.
    Tessie starrte ihn an.
    »Dankbar? Ich sollte dankbar sein? Bist du bekifft?«
    Verblüfft und aufgebracht schwebte sie aus der Küche. Slobodan Andersson sah auf.
    »Die sind hinter mir her«, stieß er hervor, dann ging ein Zucken durch den gewaltigen Körper, und er übergab sich in hohem Bogen. Mit dem Blick eines Betrunkenen starrte er die Bescherung auf dem Küchenfußboden an.
    Manuel ging nach draußen in die Bar und machte Feo ein Zeichen, er solle in die Küche kommen. Der Portugiese lächelte ihn an, rutschte vom Barhocker und kam um den Tresen.
    »Was ist los?«
    »Es ist der Dicke«, sagte Manuel.
    Der Gestank war unbeschreiblich. Den Kopf an die Wand gelehnt, war Slobodan Andersson eingeschlafen. Sie machten gemeinsam sauber. Feo goss Wasser auf den Fußboden und Manuel wischte mit Lappen nach.
    »Ich hab ihn noch nie so voll erlebt«, sagte Feo und sah tatsächlich einmal bedrückt aus.
    »Er redete davon, dass jemand hinter ihm her sei«, sagte Manuel.
    »Ich hab ein bisschen was gehört«, sagte Feo, drehte den Wasserhahn zu und betrachtete den Schlafenden. »Er glaubt, der Mörder von Armas sei hinter ihm her.«
    »Wer sollte alle beide ermorden wollen?«
    Von der Spannung schien sich Manuels Magen zusammenzukrampfen.
    »Jetzt müsste Armas hier sein«, sagte Feo, als hätte er die Frage nicht gehört. »Er hätte Slobbo unter den Arm genommen |272| und ihn nach Hause gebracht. Kannst du mir helfen? Hier kann er nicht sitzen bleiben.«
     
    Eine Stunde später bugsierten sie den schweren Mann in seine Wohnung. Das erste Taxi hatte den Transport abgelehnt, und sie hatten nach einem größeren Wagen telefonieren müssen, bei dem Slobodan Andersson im Kofferraum befördert werden konnte.
    Anschließend schleppten Feo und Manuel den Wirt, der gar nicht recht bei Besinnung war, zu seiner Wohnung und kippten ihn schließlich auf sein Bett.
    Dann standen die beiden eine Weile davor und betrachteten den unförmigen Körper. Immer wieder zuckte er wie im Krampf. Er atmete schwer, manchmal röchelte er und murmelte etwas.
    »Kannst du noch ein bisschen hierbleiben?«, fragte Feo.
    Manuel nickte und sah sich im Schlafzimmer um.
    Nachdem Feo gegangen war, wanderte Manuel verwundert von einem Zimmer zum anderen. Das war die größte Wohnung, die er je gesehen hatte. Fünf Zimmer und eine Küche für eine Person. Alles war so hell! Möbel, Textilien, Tapeten und der Holzfußboden, alles leuchtete förmlich.
    »Maria«, murmelte er, als er mit der Hand über die schöne Tischplatte strich.
    Er nahm sich aus dem Kühlschrank eine Dose Bier, trank aber nur einen Schluck und stellte sie weg. Er öffnete eine Schranktür nach der anderen und besah sich die Teller und Gläser. Wer hat für das alles Geld?, dachte er. Und wer soll das alles benutzen? In den Küchenschubladen lagen Bestecke und Gerätschaften, deren Funktion er nicht kannte. Er nahm ein Messer mit extrem schmaler Klinge heraus. Wofür sollte das gut sein, fragte er sich, legte es wieder hinein und schloss die Schublade.
    Er kehrte ins Schlafzimmer zurück. Eine Hand des Dicken |273| hing über die Bettkante. Slobodan Andersson murmelte im Schlaf.
    Das Gefühl, ein Eindringling zu sein, nahm zu. Was machte er hier? Er betrachtete den Mann, der schien nun zur Ruhe gekommen zu sein. Er schnarchte.
    Ein Güterzug fuhr am Haus vorbei, und Manuel ging ans Fenster. In den Kupplungen der Waggons ruckte und knirschte es, und das gleichmäßige sanfte Klopfen gegen die Schienen machte ihn ruhiger. Er zählte die Waggons, Container auf Container, Tank auf Tank, der Zug schien kein Ende zu nehmen.
    Das Bimmeln am Bahnübergang hatte aufgehört, die Schranken gingen langsam nach oben, und Manuel starrte den Lichtern am letzten Waggon so lange nach, bis sie verschwunden waren.
    Auf einmal schien Slobodan Andersson zu schnüffeln und zu schluchzen, und sein schwerer Leib wand sich wie in Krämpfen. Spucke lief ihm aus dem Mundwinkel. Im Schlaf fuhr er sich mit dem Unterarm über den Mund und murmelte etwas.
    Da wurde Manuel mit einem Mal bewusst, wie leicht er Slobodan Anderssons Leben auslöschen könnte. Das Gefühl hatte wohl in ihm gelauert, seit ihn Feo mit dem Dicken allein in der Wohnung zurückgelassen hatte. Wie einfach alles sein würde. Armas und Slobodan wären weg. Ihre Schuld bezahlt. Aber wozu? Wenn Slobodan starb, würde Angel davon wieder zum Leben erwachen oder Patricio aus dem Gefängnis kommen?
    Er

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