Rot
und tippte auf seinem Handy die Notrufnummer 999 ein. Während er in den Kirchensaal rannte, erklärte er dem Diensthabenden der Notrufzentrale die Lage und beendete das Gespräch. Durch die Fenster gelangte man in die Kirche, das konnte er nicht verhindern, aber vielleicht versuchte der Schütze es erst durch die Türen, er selbst würde das auch so machen …
Er rannte zum Seiteneingang und drückte die Klinke herunter – abgeschlossen. Im Laufschritt zur nächsten Tür. Sie führte auf den Hof und ließ sich öffnen. Das Schlossmodell war ihm vertraut, er drückte den kleinen Metallknopf nach unten, zog die Tür zu und bewegte die Klinke – jetzt war auch sie verschlossen.
Im selben Moment zersplitterte Glas, das Klirren hallte durch die ganze Kirche. Kara schaute sich rasch um, er würde es nicht mehr durch den Saal bis in die Sakristei schaffen … Die Sirene des Rettungswagens war deutlich in der Kirche zu hören. Plötzlich entdeckte er die Treppe zur Orgelempore und sprintete los.
Oben angelangt ging er in die Knie und trat geduckt ans Geländer. Die Sirene heulte schon ganz nah. Und eine Tür öffnete sich knarrend. Er richtete sich so weit auf, dass er über das Geländer in das Kirchenschiff schauen konnte, doch er sah nur den Pfarrer, der mit verdutzter Miene aus der Sakristei heraustrat.
* * *
Die Stromversorgung in verschiedenen Teilen Londons war vor zwölf Minuten ausgefallen. Betha Gilmartin und die Mitglieder der Ermittlungsgruppe des SIS begriffen jetzt, um was für eine gewaltige Katastrophe es sich handelte. Das Metronetz Londons war total lahmgelegt, hunderttausende Menschen saßen in den Zügen und auf den Bahnsteigen in der Falle. Drei große Krankenhäuser waren völlig ohne Strom, weil die Reservesysteme nicht funktionierten, und die Notrufzentralen waren durch die unzähligen Anrufe blockiert.
Auf einem der großen Bildschirme im Lagezentrum liefen pausenlos die Sondersendungen der verschiedenen Nachrichtenredaktionen: BBC World News, ITV News, Channel 4, Sky News, CNN International, al-Jazeera … Die Blicke der SIS-Mitarbeiter hingen am Nachrichtensprecher der BBC, einem Mann mit Bürstenhaarschnitt, als Colleen Carter den Ton lauter drehte.
Betha Gilmartin hörte, dass der Strom in ganz London wieder da war, und im selben Augenblick vibrierte das Handy in der Tasche ihres Blazers. Der Anrufer war John Elliott, der Generaldirektor des MI5.
»Wäre es doch bloß ein ganz normaler Stromausfall gewesen,wirst du dir gleich wünschen«, sagte Elliott. »Wir haben eine Nachricht mit Forderungen bekommen.«
»Von wem? Wer steckt dahinter?«, fragte Betha Gilmartin.
»Das sagen sie nicht. Sie fordern die Freilassung des Physikers Alan Beckley aus dem Gefängnis von Belmarsh.«
Betha Gilmartin wühlte in ihrem Gedächtnis. »Beckley … Der Name sagt mir nichts, er ist anscheinend nicht unser Kunde.«
»Such alle Informationen heraus, die ihr über ihn habt, der Premierminister wird das COBR-Komitee jeden Moment zusammenrufen, um die Angelegenheit zu besprechen. Es hängt nämlich noch etwas anderes damit zusammen – auch gegen die USA wurde ein Anschlag verübt, auch von ihnen fordert man etwas.« Man hörte es rascheln, als Elliott ein Blatt in die Hand nahm und vorlas: » Wir haben heute 10:17 Uhr ( UTC ) eine koordinierte Operation durchgeführt, um zu demonstrieren, dass wir fähig sind, kritische Datennetze lahmzulegen. Wir haben Anschläge auf das US Cyber Command sowie auf die Datennetze des für die Stromversorgung Londons zuständigen Unternehmens verübt. Wir verlangen, dass die USA uns innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden alle von den Mondsonden LRO und LCROSS gewonnenen Daten zur Verfügung stellen und dass Großbritannien Doktor Alan Beckley aus der Haft entlässt. «
Betha Gilmartin schüttelte den Kopf. »Das war ja zu befürchten. Die Yankees predigen schon seit ein paar Jahren, dass man zukünftig in allen großen Konflikten Cyberangriffe nutzen wird.«
Elliott stimmte ihr zu: »Heutzutage kann man also nicht nur zu Land und zu Wasser, in der Luft und im Weltraum, sondern auch in den Datennetzen Krieg führen.«
28
Sonntag, 9. Oktober
Der Minderheitenbeauftragte Kari Teräväinen nahm im Büro von Kriminaloberinspektor Claes Nyman im Hauptquartier der KRP auf dem Besucherstuhl Platz. Es dauerte einen Augenblick, bis der groß gewachsene Mann seine langen Beine in die richtige Position gebracht hatte. »Da ich wegen dieser katastrophalen Zustände bei
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