Rot
durchsickern und an die Öffentlichkeit gelangen.
* * *
Der Vorsitzende des Kabinetts stand im Arbeitszimmer seiner Wohnung in Töölö, steckte die schaufelgroßen Hände in die Hosentaschen und wusste, dass er vor Zorn rot angelaufen war. Der Vorteil in der Parteipolitik war gewesen, dass man immer eine ganze Herde von Arschkriechern im Schlepptau gehabt hatte, die er, ohne Rücksicht nehmen zu müssen, anschnauzen konnte, wenn er vor Wut fast platzte. Und jetzt platzte er fast vor Wut, aber es war niemand da, den er anbrüllen konnte. Am liebsten hätte er das Parteibüro der SPFi angerufen und das arme Schwein beschimpft, das gerade zufällig ans Telefon ging.
Er trauerte der Sowjetunion nicht nach, das System war krank gewesen, auch wenn er sie als Sozialdemokrat ein Vierteljahrhundert lang mit Leib und Seele verteidigt hatte. Aber wenn man als Zweimetermann und junger Kerl, mit kaum dreißig, in Moskau durch die Flure des Zentralkomitees ging, um einige der mächtigsten Männer der Welt zu treffen, verdammt noch mal, dann lief man schon mit geschwellter Brust und bekam eine Gänsehaut. Und in Finnland, in der Villa des KGB in Porkkala, hatten sie so wilde Feten gefeiert, dass einem schon beim bloßen Gedanken daran das Herz wehtat. Heutzutage gab er seine politischen Informationen bei jeder sich bietenden Gelegenheit an die Amerikaner weiter, in der Hoffnung auf Gegenleistungen. Aber diese eingebildeten Banausen verstanden sich nicht darauf, jemanden ganz individuell zu schmieren. Es war halt so: Der Herr gibt den Weizen, aber er bäckt nicht das Brot. Jeder musste seine Fähigkeiten selbst nach bestem Vermögen zu seinem eigenen Vorteil nutzen.
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion war ein Kapitel in seinem Leben geschlossen worden. Heute würde ein zweites zu Ende gehen: Er hatte die Arbeit des Kabinetts eingestellt; um die ganze geniale Konstruktion zu begraben war nur ein Dutzend Anrufe nötig gewesen. Die Behörden würden bei keinem einzigen Mitglied irgendwelche Beweise finden, und seine eigene Kopie des Smirnow-Materials hatte er in Sicherheit gebracht. Nur Jukka Ukkola wäre imstande, einen Teil von ihnen zu verraten.
Der Vorsitzende betrachtete voller Bewunderung seine unvergleichliche Ordenssammlung und richtete den Blick dann auf sein Jugendbild an der Wand. Durch den Bandy-Helm wirkte sein Kopf ungeheuer groß, aber die vor Kraft strotzenden Oberschenkel sahen verdammt toll aus. Er fühlte sich noch lange nicht wie ein Rentner. Zum Glück war er weiterhin am Gasröhrengeschäft der Russen beteiligt. Das Unternehmen war, um Steuern zu umgehen, in Zug in der Schweiz eingetragen, also würden die russischen Brüder auch künftig ausreichend Honorare zahlen. Die gescheitesten Leute waren schon seit Jahren in den Dienst der Wirtschaft und privater Unternehmen getreten. Entscheidungen über wichtige Dinge trafen nicht mehr die Politiker. Heutzutage beherrschte das Geld alles, und über dessen Bewegungen wurde in den Banken und Konzernen entschieden.
Er geriet in Rage bei dem Gedanken, dass Beamte, die von der ganzen Sache überhaupt keine Ahnung hatten, das Kabinett jetzt wie Jagdhunde hetzten. Es handelte sich doch schließlich nicht um einen kriminellen Geheimbund von engstirnigen und bitterernsten Leuten, sondern um einen Zusammenschluss von Männern und Frauen, die Spieler waren. Sämtliche Angelegenheiten wurden hinter verschlossenen Türen im kleinen Kreis von Vertrauten geregelt, so waren in Finnland schon immer wichtige Entscheidungen gefällt worden. Die Machtgier und das Geld hatten sie getrieben, Vertreter von Mundus Novus zu werden, nichts anderes.
Sein Handy klingelte wie auf Bestellung. Endlich konnte er jemanden anbrüllen, doch als er sah, wer anrief, musste er sich beherrschen. Der Generalstaatsanwalt war eines der wenigen Kabinettsmitglieder, deren Hilfe er noch immer brauchte.
»Bei Ukkola wurde eine Hausdurchsuchung vorgenommen, aber das Material hat man nicht gefunden«, meldete Asko Väkikorpi. »Von den zwölf Memorysticks, die Ukkola verteilt hat, wurden bisher sieben sichergestellt, ich habe deinem Vorschlag entsprechend ProTurva beauftragt, sie zu beschaffen.«
»Das hört sich gut an. Aber Ukkola hat auch gedroht, seine Informationen preiszugeben, wenn er bei einem Prozess verurteilt wird«, erwiderte der Vorsitzende.
»Ihn erwarten ein paar Jahre Knast, das kann auch ich nicht mehr verhindern. Es wird jetzt bereits seit zwei Monaten nach dem Plan vorgegangen, Ukkola
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