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Rot

Rot

Titel: Rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Angeblich ein Stromausfall. Unfassbar«, sagte er.
    Kara blieb stehen. Die U-Bahn kam also nicht in Betracht. Wohinkönnte eine halb angezogene Frau gehen, ohne Geld? Wenn Bellamy durch die Straßen irrte, würde die Polizei sie früher oder später schnappen. Kara kannte die Gegend einigermaßen, weil sich hier viele Sehenswürdigkeiten befanden: Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett, der Londoner Zoo, das Kaufhaus Selfridges, der Hyde Park und das Sherlock-Holmes-Museum. Er war hier oft mit seinen Eltern und der Schulklasse gewesen und hatte auch als Erwachsener einige der Lokale in dieser Gegend besucht, vor allem erinnerte er sich an eine Kneipe namens The Chapel, in der Tat eine sehr spezielle Kapelle.
    Beim Wort Kapelle läuteten die Glocken in Karas Kopf. Vielleicht suchte Lilith Bellamy Zuflucht in einer Kirche. Sie hatte aus ihrem Zimmer eine Taschenbibel mitgenommen, die Kirchentüren waren sonntags vermutlich geöffnet, und dort würde man kaum jemand abweisen, nur weil er keinen Mantel trug.
    Kara holte sein Handy heraus, öffnete den Navigator und suchte fieberhaft. Wie zum Teufel konnten derart viele Kirchen auf so einem kleinen Gebiet Platz finden: die All Souls Church am Langham Place, die Kirche der Gemeinde in der Marylebone Road … Die beiden nächstgelegenen waren die St Mary’s Church am Wyndham Place, fünf Minuten zu Fuß entfernt, und die Church of St Mary in Paddington Green, bis dahin waren es knapp zehn Minuten.
    Er wollte sich gerade auf den Weg zum Wyndham Place machen, als ihm der Gedanke kam, dass es Lilith Bellamy bestimmt nicht interessiert hatte, ob sie fünf oder zehn Minuten laufen müsste. Er loggte sich ins Internet ein und las die Informationen zu den Kirchen in der Umgebung. Sie befanden sich alle an verkehrsreichen Straßen, alle, mit einer Ausnahme: Die Church of St Mary lag am Rand eines kleinen Parks. Es war vielleicht nur ein Versuch auf gut Glück, aber er an ihrer Stelle wäre am ehesten in diese Kirche gegangen, und er war schließlich auch psychisch geschädigt wie Lilith Bellamy.
    Kara prägte sich die Route ein, steckte das Handy in die Tasche und rannte los. Erst zur Bell Street, in vollem Galopp bis an ihr Ende, in der Unterführung unter der Edgware Road hindurch und am Newcastle Place entlang bis ans Ziel. So schaffte er die Strecke in vier Minuten. Vor dem schmiedeeisernen Tor der Kirche blieb er stehen, atmete tief durch und gratulierte sich selbst, dass er mit seinem Tipp so gut gelegen hatte. Die Kirche wurde von einer ausgedehnten Rasenfläche umgeben, auf der anderen Seite der Straße lag ein größerer Park. Der Haupteingang der Kirche stand offen, der Pfarrer verabschiedete seine Herde und gab den Gemeindemitgliedern die Hand, der Gottesdienst war offensichtlich gerade zu Ende gegangen.
    Kara trat hinein und wich dem Blick des Pfarrers aus. Die Kirche war klein und die Farbe Weiß dominierte, die Wände des Chors mit dem Altar bestanden aus hellbraunen Ziegeln, die Glasmalereien waren farbenfroh.
    In der letzten Bankreihe, nahe am hinteren Ausgang, saß eine schmächtige, fast puppenhafte Frau mittleren Alters und hielt den Kopf gesenkt. Lilith Bellamy war noch blasser geworden, ihre Haare wirkten fast durchsichtig. Kara ging langsam zu ihr hin und setzte sich neben sie.
    »Bist du gleich darauf gekommen, mich in einer Kirche zu suchen? Warst du erst am Wyndham Place in St Mary’s? Das ist die nächstgelegene Kirche, ich habe dort beim Küster eine Nachricht hinterlassen, dass du mich hier findest«, sagte Bellamy, ohne den Kopf zu drehen.
    »Die ganze Aktion ist ziemlich gut ausgedacht … für eine Patientin«, formulierte Kara vorsichtig. »Woher wusstest du, dass ich dich besuchen komme?«, fragte er, aber Lilith Bellamy antwortete nicht.
    »Nach Ansicht deines Arztes hat sich dein Befinden in der letzten Zeit stark verschlechtert.«
    »Ich bin nicht ganz so krank, wie alle glauben«, erwiderte LilithBellamy und hob den Blick. »Wie du weißt, bin ich von allen Wissenschaftlern der Forschungsgruppe, die dein Vater in den achtziger Jahren geleitet hat, die einzige, die auf freiem Fuß ist. Und warum? Weil man mich für eine ungefährliche Verrückte hält. Es stimmt, dass ich mit dreißig krank wurde, aber danach … In meinem Fall hat die Therapie ziemlich schnell und wirksam geholfen, und seitdem geht es mir an sich ziemlich gut. Ich habe auch nicht all die Jahre im Krankenhaus verbracht.«
    Kara wusste nicht, was er davon halten sollte. War Lilith

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