Rote Gruetze mit Schuss
nicht weiter.« Seine vagen Erinnerungen an die Fortbildung »Vernehmungstechniken I« helfen Thies auch nicht weiter. »Aber wir müssen später sowieso noch mal kommen.«
»Hast du das gesehen?«, fragt Klaas, als sie wieder in Detlefsens Polizei-Escort sitzen. »Der Versicherungsschein auf ’m Ladentisch. Is doch komisch. Sie weiß angeblich noch nichts von ihrem toten Mann und hat schon den Versicherungsschein rausgekramt? Und den lässt sie dann im Laden rumliegen?«
Detlefsen hat das Versicherungspapier zwar nicht gesehen, aber auch er hat Verdacht geschöpft. »Ja, ja, Klaas, mit Lara stimmt wat nich. Ich dachte, heute wegen dem Trauerfall erst mal Samthandschuhe und so ... Aber morgen nehmen wir sie ins Kreuzverhör. Wenn die Kommissarin bis dahin nich da ist, musst du noch mal mit. Und Nachtwache bei dem Toten müssen wir uns ablösen.«
»Geht klar. Aber dann sollten wir uns vorher bei Antje ’n büschen Proviant rausholen.«
Thies stoppt den Wagen an der Dorfstraße, schräg gegenüber der Kirche direkt vor dem Haus von Renate. Das Schild »Zimmer frei« hängt wie immer im Fenster.»Renate«, sagt Thies geschäftig, »ich brauch dein Zimmer. Heute Abend kommt die Kommissarin aus Kiel ... wahrscheinlich.«
»Ach so, wegen den toten Brodersen. War dat nu Mord, Thies?« Renate hat hastig ihre Kittelschürze ausgezogen und hält sie jetzt in der Hand.
»Renate, wir ermitteln. Und deswegen brauch ich das Zimmer. Vermutlich schon für heute.«
»Tschja, dat is so ’ne Sache, Thies.«
»Was soll das denn heißen?«
»Na ja, dat Zimmer ist eigentlich frei. Aber da stehen die ganzen Koffer von Swaantje drin. Und außerdem is mein Fahrrad weg.«
»Renate, nu ma eins nach dem andern«, sagt Thies. »Was für Koffer?«
»Ich weiß auch nich. Swaantje hat gesagt, ich soll es nicht unbedingt weitererzählen. Sie wollte wohl weg.«
»Was sollst du nich weitererzählen?«, schaltet sich jetzt Postbote Klaas ein.
»Dass sie bei mir drei rote Koffer untergestellt hat. Sie hat ja allerhand Klamotten«, verkündet Renate wichtigtuerisch, als würde dies die Ermittlungen entscheidend weiterbringen. »Und jetzt hat sie mir mein Fahrrad geklaut.«
»Ja, Swaantje is schon seit gestern vermisst gemeldet. Und sie is ja ganz offensichtlich mit deinem Fahrrad weg.«
»Sach ma, Klaas, was hast du eigentlich mit der ganzen Sache zu tun?« Renate wundert sich auf einmal. »Post ist doch durch? Oder?«
»Klaas assistiert mir momentan.«
»Aushilfsweise«, fügt der Postbote hinzu.
»Aber was mich wundert, Renate, wenn sie ihre ganzen Sachen gepackt hat, wieso lässt sie die bei dir stehen?«
»Na ja, die drei großen Koffer konnt sie auf ’m Fahrrad ja schlecht mitnehmen. Das sind ganz schöne Kawenzmänner. Alle rot. So ’n Koffer-Set.«
»Meinst du, Swaantje hat Brodersen auf ’m Gewissen?«, fragt Klaas eifrig.
»Kann ich so noch nich sagen. Aber Tatsache is, Swaantje is flüchtig. Und jetzt wissen wir schon mal das Fahrzeug, mit dem die Vermisste unterwegs ist. Ich geb das gleich mal in die Fahndung.« Thies wühlt in seiner etwas engen Polizeijacke und holt das Handy heraus. »Das haben wir gleich ...« Nach wenigen Freizeichen macht Thies Meldung: »POM Detlefsen, Polizeinebenstelle Fredenbüll. Wir haben hier seit gestern eine Vermisstenanzeige laufen, eine gewisse Swaantje Ketels. Könnte demnächst auch ’ne Fahndung werden. Wir kennen jetzt das Fahrzeug, mit dem die Frau unterwegs ist.«
Klaas und Renate blicken bewundernd zu Thies auf.
»Kennzeichen? ... Freunde, dat is ’n Fahrrad! ... Renate, beschreib mal das Rad ...«
»Na ja, Thies, ’n Fahrrad. So ’n ganz einfaches aus ’m Baumarkt.«
»Ich will nich wissen, wo du das herhast, sondern wie das aussieht.«
»Das war so ’n Schnäppchen.«
»Renate! Farbe?!«, fährt Thies sie an und dann ruhiger ins Telefon: »Klein’ Moment, geht gleich weiter ...«
»Schwer zu sagen. Das is so geflammt ... rot-violett ... nee, da is auch grün mit drin ...«
Thies Detlefsen wischt sich den Schweiß von der Stirn. »Personenbeschreibung habt ihr ja. Und dann schreib einfach: unterwegs auf einem mehrfarbig geflammten Damenfahrrad.«
9
Huberta von Rissen ordnet in einer Vase einen Strauß noch nicht aufgeblühter Pfingstrosen, die sie grade im Garten geschnitten hat. Durch die hohen Wohnräume des Gutes klingt Mozarts Klaviersonate Nr. 11. Das Dienstmädchen, eine Litauerin, die schon seit fünfzehn Jahren bei den von Rissens ist, hat heute
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