Rote Gruetze mit Schuss
Pferdeschwanz zusammengebunden, kein Entkrausen, keine falschen Fingernägel, kein Salon Alexandra. Kommissarin Stappenbek ist eher der sportliche Typ. Sie trägt Jeans, vielleicht eine Nummer zu eng, eine taillierte Lederjacke in einem Mokkacremeton und zwei breite Silberringe an den Fingern der rechten Hand, einen davon auf dem Daumen. Und sie raucht diese Zigaretten in der Goldschachtel, Benson & Hedges.
Thies muss Klaas recht geben, sie sieht eigentlichgut aus. Nur die Nase ist ein bisschen lang. Das fällt eigentlich auch nur deshalb auf, weil KHK Stappenbek auffällig durch die Nase spricht. Große Nase, aber offenbar enge Nasengänge. Die Stimme klingt dadurch ein bisschen arrogant. Nachdem sie amüsiert die Porträts des Bankräubertrios auf dem Fahndungsplakat begutachtet hat, streckt sie Thies die Hand entgegen und bietet ihm gleich das Du an.
»Nicole«, sagt sie knapp. Thies steht für einen Moment auf dem Schlauch, deshalb wiederholt sie. »Ich bin Nicole. Auf gute Zusammenarbeit.«
»Ach so, jo: Thies«, sagt Thies und gibt ihr die Hand. »Hast’ ja wahrscheinlich schon mitbekommen ... Einen drauf trinken können wir ja dann später mal.«
Hauptkommissarin Stappenbek kann sich das Grinsen nicht verkneifen.
»Was ist mit dem Schreibtisch hier, Thies?«, fragt sie und deutet auf den akkurat aufgeräumten Tisch von Knut Boyksen. »Kann ich mich da hinsetzen? Ein paar Tage werden wir uns hier sicher zusammen einrichten müssen. Immer vorausgesetzt, du hast recht und wir haben hier tatsächlich einen Mordfall.«
»Dat is der Platz von Knut Boyksen. Der war vor mir hier der Dienstellenleiter. Ist seit vier Jahren in Pension.«
Die Kommissarin ist etwas irritiert.
»Jo, klar, setz dich ruhig ... Nicole.«
KHK Stappenbek holt ihr Notebook aus der Tasche und legt eine goldene Packung Benson & Hedges und ein Nasenspray daneben. Thies beobachtet das ganz genau. So ein Notebook hat er nicht auf der FredenbüllerWache, nur einen museumsreifen Computer, der sich bei jeder Gelegenheit aufhängt. Und ob Rauchen auf der Wache erlaubt ist, weiß er eigentlich gar nicht.
»Von dem Opfer ist ja nicht mehr viel übrig«, sagt Nicole. Sie hat sich auf dem Weg einen ersten Eindruck von dem toten Biobauern im Mähdrescher gemacht. »Haben wir ein Foto von dem Toten?«
»Foto von Brodersen? Nee!« Thies ist nicht ganz klar, was sie mit einem Foto des Biobauern will. Nachdem er sie kurz auf den Stand seiner Ermittlungen gebracht hat, greift sie zum Telefon.
»Ich bin hier bei DSL Detlefsen in ... ähh ...«
»Fredenbüll«, assistiert Thies, während er sich fragt, was das DSL vor seinem Namen wohl zu bedeuten hat.
»... Fredenbüll. Wir brauchen hier schnellstens die KTU und den Rechtsmediziner ... O-kayyy, aber morgen dann bitte gleich vormittags.« Bei dem »Okay« legt sie die ganze Betonung auf die langgezogene zweite Silbe. Danach zieht sie kurz die Luft durch ihre engen Nasengänge hoch. »... Ich weiß, dass wir morgen Sonntag haben.« Nachdem sie das Gespräch beendet hat, nimmt sie eine Zigarette aus der Packung. »Keine Angst, ich geh nach draußen.«
»Ja, nee, geht auch hier drinnen ...«, meint Thies eher lahm als überzeugend. »Ich organisier mal ’n Aschenbecher.«
»Thies, lass man.«
Die lange Auffahrt zu Dossmanns Haus ist von halbhohen Thujen und Kirschlorbeer gesäumt. Zusammen mit der Kieler Kommissarin steuert Thies seinen betagtenEscort über die penibel gesäuberten Waschbetonplatten, auf denen kein einziges Blatt liegt. Nur ein paar frische satte Jaucheplacken dümpeln verloren auf dem Waschbeton. Thies versucht, die Scheiße zu umkurven.
»Wir sind auf ’m Land, oder, Thies?« Nicole Stappenbek fasst sich demonstrativ an die Nase und grinst.
Dossmann hat vor zehn Jahren noch mal neu gebaut, am Rande von Fredenbüll zwischen Kirche und seiner Geflügelfarm, kein moderner Bauernhof und auch nichts traditionell Friesisches, eher ein Märchenschloss aus weißem geriffeltem Kunstklinker. An allen unmöglichen Stellen verschnörkelte schmiedeeiserne Gitter, Sprossenfester und eine riesige Terrasse in mehrfarbigem Waschbeton.
Die Türglocke klingt wie Big Ben. Der Geflügelkönig öffnet persönlich.
»Moin, Herr Dossmann.«
»Moin, Thies.«
»Moin, Herr Dossmann, Kriminalhauptkommissarin Stappenbek aus Kiel. POM Detlefsen kennen Sie ja.«
Nicole kommt mit Typen wie Dossmann klar, denkt Thies, als die beiden vor der dreiflügeligen Kunststofftür im Friesenstil mit den gelben
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