Rote Gruetze mit Schuss
unentschlossen und nervös kennt Bounty den Schimmelreiter gar nicht. »Klar doch«, ermuntert er ihn und legt den Lötkolben beiseite, wechselt die Musik und holt das Zigarettenpapier heraus. »Sag mal, Hauke, du hast doch nicht etwa mit dieser Geschichte mit Brodersen zu tun?«
»Ja, nee, wirklich nich ... nee, echt nicht. Aber die Bullen sind hinter mir her. Weiß auch nicht, was da gelaufen ist.«
Der Muffgeruch in der Küche und der dezente Güllemief von draußen werden jetzt von süßlichen Nebelschwaden überdeckt, die die beiden Raucher umhüllen. Die Stones spielen ›Wild Horses‹ und der Schimmelreiter fühlt sich gerade wieder herrlich entspannt, als draußen am Deich ein Auto vorfährt. Elektrisiert springt Hauke auf. Er rennt zum Fenster und sieht draußen Detlefsens alten Escort stehen.
»Verdammte Scheiße, ich hab’s doch gleich gesagt«, zischt er und schwankt dabei bedenklich. »O Mann, haut wieder ziemlich rein, dein Zeug. Du musst ihn ablenken, okay?« Hauke taumelt aus der Küche und verkrümelt sich in den Räumen, die nach hinten zum Garten hinausgehen.
Bounty drückt behutsam den Joint aus und verstaut den Rest in einer Blechdose. Durch das Küchenfenster sieht er Thies Detlefsen und die blonde Kommissarin auf das Haus zugehen. Er geht an die Tür und öffnet.
»Was läuft so, Thies?«, ruft er dem Dorfpolizisten zu.
»Bounty, das hier ist Kriminalhauptkommissarin Stappenbek, und das ist ... ähh ... Hans-Jürgen Warncke? Is doch richtig, Bounty, oder?«
Nicole Stappenbek muss schmunzeln.
»Moin, hier nennen mich alle Bounty, können Sie auch gern machen.« Seine Sprache ist leicht verlangsamt.
Nicole übergeht das Angebot. »Wir sind auf der Suche nach Herrn Schröder ...«
»Nach Hauke? Da kann ich, glaube ich, nich mit dienen.«
»Soll sich möglicherweise bei dir aufhalten«, sagt Thies.
»Wie kommst denn darauf?«
»Der Tipp kam von Haukes Tante Telje. Sach mal, Bounty, willst uns nich reinlassen?«
»Grad schlecht ... is nich so aufgeräumt.«
»Nur kurz unterstellen.« Um vor dem gerade wieder einsetzenden Regen ins Trockene zu flüchten, machen die beiden Polizisten einen Schritt in den Flur.
Sie bleiben zwischen den Mülltüten stehen. Nicole sieht sich um und zieht die Luft durch die Nase. Es riecht nach Zementstaub und Marihuana. Sie sieht sich in dem engen Flur um. Sie befragen den Althippie nach Brodersen, nach Swaantje und Dossmann, ob ihm irgendetwas aufgefallen ist. Viel kommt dabei nicht raus, eigentlich gar nichts. Nicole deutet Thies mit einer Geste, dass sie weiterwill. Aber der hat noch eine wichtige Frage.
»Wir müssen dich das auch fragen.« Thies setzt eine wichtige Miene auf. »Wo warst du am Abend und in der Nacht von Freitag auf Sonnabend?«
»Ja, wieso, was soll das denn jetzt, Thies? Das weißt du doch: in ›De Hidde Kist‹. Wir haben zusammen Fußball geguckt, das heißt, du warst die meiste Zeit hektisch in der Gegend unterwegs. Warum eigentlich? Ach so, ja, Swaantje war weg.«
In dem Moment ist von draußen das Motorengeräusch eines anfahrenden Wagens zu hören. DerCorolla schlittert die Auffahrt neben dem Haus entlang. Der tief in seinem Schalensitz hängende Hauke würdigt sie keines Blickes. Auf dem nassen, überschwemmten Weg drehen die Räder zwitschernd durch. Thies und Nicole sehen sich das eine Schrecksekunde lang an.
»Herr ... ähh, Warncke ...?«, entrüstet sich die Kommissarin.
»Hey, Bounty, das darf doch nicht wahr sein!« Thies kann es nicht fassen.
»Ja, das weiß ich jetzt auch nicht, wo der auf einmal herkommt«, nuschelt Bounty.
Die beiden Polizisten werfen dem Althippie noch einen bösen Blick zu, dann hetzen sie durch den Regen zu ihrem Wagen zurück. Der alte Escort kommt nicht ganz so schwungvoll aus den Startlöchern wie der Schimmelreiter, der mit seinem Toyota grade in einer Kurve Richtung Fredenbüll verschwindet.
Thies fährt die Gänge voll aus. Beim Schalten gibt es ein kurzes Knirschen aus dem Getriebe. Nicole wirft einen kritischen Blick zur Seite. Auf der kurzen Geraden bringt Thies das Auto auf hundert, vor der Kurve muss er aber wieder scharf abbremsen. Er hat beide Hände fest am Steuer. Mit einem Fingerschnippen stellt er den Scheibenwischer auf die schnellste Stufe. Inzwischen schüttet es wieder, kein Gewitter mehr, sondern ein sintflutartiger Guss mit heftigen Sturmböen von Nordwest. In der Kurve gerät der Ford auf der nassen Fahrbahn bedenklich ins Rutschen.
In der Ferne hat Thies für
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