Rote Gruetze mit Schuss
einen Moment undeutlichverschwommen den Corolla wieder im Blick. Die Scheibenwischer haben bei dem hohen Tempo Mühe, die Regenmassen von der Frontscheibe zu schaufeln. Der Abstand zum Toyota ist nicht unbedingt kleiner geworden. Erst als sie durch Fredenbüll fahren, kann Thies die Distanz etwas verringern.
»Komm, Thies, gib Gummi«, sagt Nicole mit einem aufmunternden Nicken. Thies schaltet kurz hoch und tritt voll auf das Gas.
Die Häuser der Fredenbüller Dorfstraße, die Wache, der Edeka-Laden, die alte Backsteinkirche und »De Hidde Kist« fliegen an den Seitenfenstern vorbei. Draußen, unter der kleinen Überdachung vor dem Imbiss, steht Piet Paulsen und raucht. Er trägt Basecap zur Lederweste und beachtet die beiden durch den Ort rasenden Autos kaum, als wären solche Verfolgungsjagden in Fredenbüll an der Tagesordnung.
In einem Abstand von gut hundert Metern jagen die beiden Autos aus dem Ort heraus, immer weiter Richtung Bredstedt.
»Er will bestimmt nach Husum und dann weiter nach Heide. Wenn er erst mal auf der Autobahn ist, dann isser weg. Die Kiste von Schröder ist bös frisiert, da ham wir keine Chance.«
»Komm, Thies, das schaffen wir. Du fährst gut.«
Mit gut hundertvierzig Sachen passieren sie das gelbe Ortsausgangsschild von Fredenbüll. Auf freier Strecke wird der Wagen gleich von einer Bö erfasst. Der Wind von der See hat deutlich aufgefrischt. Mit Mühe kann Thies den Escort auf der schmalen Landstraße halten. Er muss immer wieder gegensteuern. Das gehetzte Klopfendes viel zu hoch drehenden, altersschwachen Motors mischt sich mit dem Heulen des Windes. Auf der Geraden bringt Thies den Ford auf hundertsechzig, in dem Moment biegt aus der Hofeinfahrt zu Dossmanns Geflügelfarm ein großer Trecker auf die Landstraße ein.
»Was, verdammt noch mal, hat Dossmanns Trecker hier verloren?«, schimpft Thies. »Ist doch Sonntag!« Er setzt zum Überholen an, doch auf der Gegenfahrbahn kommt ihnen ein Auto entgegen. Thies steigt voll in die Bremsen. Das Auto gerät gefährlich ins Schlingern.
Nicole atmet schwer. »Trecker und Sonntagsfahrer, blöde Kombi.« Sie muss selbst grinsen und schiebt hektisch die heruntergerutschte Sonnenbrille zurück ins Haar.
Sie sitzen dem Vordermann jetzt ganz dicht hintendrauf. Zwei entgegenkommende Autos lässt Thies passieren, dann kann er endlich überholen. Von Schröders Corolla ist nichts mehr zu sehen. Detlefsen gibt Gas.
»Das darf doch jetzt nich wahr sein!« Thies schlägt mit der flachen Hand auf sein Sportlenkrad. Nicole schnupft.
»Halt, da war er!« Aus den Augenwinkeln hat sie hinter einem Busch ein Auto stehen sehen.
»Wo?«
»Hier, in dem Feldweg!«
Im Rückspiegel sieht Thies den Schimmelreiter aus dem Feldweg herausfahren und in die entgegengesetzte Richtung beschleunigen. Thies wirft einen kurzen Blick in den Rückspiegel. Er bremst ab, schlägt das Lenkrad ein und zieht gleichzeitig die Handbremse. Die Reifen quietschen nicht, es ist mehr ein Summen.Der Escort macht eine halbe, fast eine Dreivierteldrehung. Wahnsinn, so einen Powerslide wollte er schon immer mal machen. Und es klappt sogar! Thies steuert sofort gegen und gibt gleich wieder Gas Richtung Fredenbüll.
»O-kayyy«, ruft Nicole. »Du hast den Wagen gut im Griff.«
Thies sagt gar nichts und tritt das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Die beiden Autos jagen ein zweites Mal durch den Ort. Paulsen steht immer noch rauchend vor dem Imbiss. Kurz hinter dem Ortsausgang lenkt Hauke Schröder den Wagen nach links auf die Straße nach Neutönningersiel. Sekunden später folgt Thies ihm.
»Badestelle Neutönningersiel«, liest Nicole Stappenbek auf dem weißen Hinweisschild.
»Das war sein Fehler. Jetzt sitzt er in der Falle.« Thies triumphiert.
»Badestelle?«
»Ja, Nordsee, da is Schluss. Müsste Schröder eigentlich auch klar sein.«
Auf der langen Geraden gibt Thies Vollgas. Vor dem »Café Wattblick« an der kleinen Brücke muss er abbremsen.
Schröder hat bereits den Parkplatz für die Badestelle erreicht. In der Auffahrt setzt der Spoiler mit einem Knirschen auf. Die Schafe auf dem Deich stellen das Kauen ein und gucken interessiert. Das Auto kommt ins Schlingern und prescht ein Stückchen den großen Deich hinauf, wo es zum Stehen kommt. Fünf kleine Osterlämmer stieben auseinander und geben ein klägliches»Mäh« von sich. Hauke steigt wütend aus seinem Auto.
»Scheiße, scheiiiße!«, schreit er und tritt gegen die Autotür. »Echte Scheiße!«
Thies stoppt
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