Rote Gruetze mit Schuss
Jörn war immer ein Reisender.« Mit ihrem Nuscheln gibt Lara den Polizisten zu verstehen, dass sie jede Frage als Zumutung empfindet. »Was sage ich, er ist ja wieder auf einer Reise.«
»Ja, ja, Lara, aber wie ist Jörn in den Mähdrescher gekommen? Kannst du uns das erklären?«
»Wieso fragt ihr mich das?«
»Aber wenigstens sind Sie nach dem Tod Ihres Mannes finanziell abgesichert«, setzt Nicole Stappenbek nach. »Der Kollege Detlefsen hat von einer Versicherungspolice berichtet, die Sie hier gestern auf Ihrem Ladentisch liegen hatten.«
Für einen kurzen Moment geht ein Ruck durch Lara Brodersen, als wäre sie aus ihrem Schwebezustand plötzlich und heftig auf den Boden aufgesetzt. »Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden«, zischt sie mit stechendem Blick.
»Lara, die Police von deinem Bruder lag doch gestern neben deinen Duftflaschen.« Thies blickt hilfesuchend zu Nicole.
»Ich weiß wirklich nicht, was du meinst«, schnaubt Lara.
»Es ist doch gar nichts Böses dabei, dass der Tote eine Lebensversicherung hatte. Uns wundert nur der Zeitpunkt, dass dieser Schein ...«
»Ich weiß nichts von einem Schein!« In Laras bleiches Gesicht steigt ein Anflug von Röte. »Diesen Schein müssen Sie mir erst mal zeigen.«
»Na, der wird hier doch irgendwo rumliegen.« Detlefsen wird langsam ungeduldig.
»Da wollen wir uns jetzt gar nicht auf die Suche machen. Dazu fehlen uns zu diesem Zeitpunkt die rechtlichen Grundlagen«, beschwichtigt die Kommissarin. »Aber das Fahrzeug des Toten müssten wir uns einmal ansehen.« Nicole wirft Thies einen warnenden Blick zu.
»Jörns Auto?«, fragt Lara erstaunt.
»Meine Güte, wir machen hier auch nur unsere Arbeit. Du solltest wenigstens ’n büschen kooperativ sein, Lara.« Thies wird das hier alles langsam zu bunt.
»Was ist das für ein warmer und erdiger Duft hier?«, versucht Nicole die Situation zu entspannen.
Thies fällt sofort seine Fortbildung »Vernehmungstechniken I« ein: Der vernehmende Beamte sollte sich bemühen, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen.
»Amyris«, haucht Lara sichtbar entspannt. »Das ist westindisches Sandelholz, das hat sehr, sehr hohe Schwingungen und sorgt für energetische Reinigung.«
Thies nickt. »Riecht ’n büschen nach Moos. So, Lara, und jetzt bräuchten wir mal den Autoschlüssel von Jörns Landrover. Und noch was: Wo ist eigentlich dein Bruder? Den kriegen wir irgendwie nich zu fassen, dabei müssten wir ihn dringend sprechen. «
»Woher soll ich das bitte wissen? Ich bin nicht die Aufpasserin meines Bruders.«
Jörn Brodersens olivgrüner Landrover wirkt penibel aufgeräumt und für das Auto eines Landwirtes erstaunlich sauber. Warndreieck, Verbandskasten und Sicherheitsweste sind fein säuberlich aufgereiht, als müsste der Wagen morgen zum TÜV.
»Hier is grad einer mit ’m Staubsauger durch, wetten?« Da ist sich Detlefsen sicher. »Wenn du Landwirt bist, dann sieht dein Wagen anders aus. Dazu hat er schließlich Allrad. Da stimmt was nich.«
»Und jetzt haben wir die Spurensicherung nach Haus geschickt.«
»Hier, Nicole ... siehst du was.«
»Lacksplitter.«
»Wenn das nich perlmuttmetallic ist!« Thies triumphiert.
»Der hier ist aber bunt«, die Kommissarin zeigt auf ein anderes Lackteilchen und zieht zwei durchsichtige Plastiktütchen aus ihrer Lederjacke. »Thies, wie hast du das genannt? Mehrfarbig geflammt?«
»Nicole, ich hab das gleich gesagt: Die beiden Fälle hängen zusammen!« Thies wird immer aufgeregter. »Aber wie kommt der ganze Lack hier in Brodersens Kofferraum?«
14
Es hat aufgehört zu regnen. Von der Windschutzscheibe werden ein paar letzte dicke, von den Bäumen herabfallende Tropfen gewischt. Das Wasser der tiefen Pfützen spritzt laut gegen die Frontspoiler des tiefergelegten Corolla. Hauke Schröder hat AC/DC auf die niedrigste Lautstärke heruntergeregelt. Hauke ist fertig mit den Nerven. Er hat den ganzen Tag nichts gegessen, und die drei Tassen Kaffee heute Morgen stoßen ihm immer wieder auf.
Den ganzen Tag ist er schon in seinem Auto unterwegs. Der Polizeieinsatz auf der von-Rissen-Wiese und der Menschenauflauf davor sind ihm natürlich nicht entgangen. Aber er hat es nicht gewagt, anzuhalten, sich dazuzustellen und nachzufragen. Was, verdammte Scheiße, ist da passiert? Hauke Schröder kann sich absolut keinen Reim darauf machen.
Unterwegs hat er heute Morgen vom Handy aus die Krankenhäuser der Gegend abtelefoniert, in Husum, Flensburg und Schleswig: Eine
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