Rote Gruetze mit Schuss
abgefackelt war, hat Leif ihr einfach zweihundertfünfzig Euro in die Hand gedrückt. Sonst wär der Bonus weg, hat er gesagt, und das würde sich nicht rechnen.«
»Bonus?«
»Genau, is doch komisch, Bonus bei ’ner Fritteuse, hast du so was schon mal gehört?«
»Du meinst, der streicht hier die Prämien für Versicherungen ein, die es gar nicht gibt?«
»Und dann die Sache mit Renate. Du weißt schon, dat geflammte Fahrrad, das kurz weg war. Da wollte er Renate wohl auch ’n Fünzig-Euro-Schein in die Hand drücken.«
»Aha.«
»Wenn nix Größeres ist, rechnet sich das. Kein Wunder, dass Leif hier immer den Dicken macht. Der hat hier allein in Fredenbüll zig Versicherungen laufen. Jedes Auto und jedes Reetdach ist bei Leif Ketels versichert. Hat schon mancher gesagt, wir wären alle ’n büschen überversichert. Sogar die Schafe sind versichert.«
»Schafe? Komm, Thies!«
»Nee, kein Flachs, is angeblich irgend so ’ne Tierversicherung, wenn die Viecher die Maul- und Klauenseuche kriegen, oder so.«
»Ich glaube, da hat uns der gute Herr Ketels einiges zu erklären.«
»Nicole, dat ist Versicherungsbetrug, und zwar im ganz großen Stil!«
»Für Betrug bin ich eigentlich gar nicht zuständig. Das ist ’ne andere Abteilung.«
»Siehst du, Nicole, das is hier in der Dienstnebenstelle Fredenbüll eben anders. Bei mir läuft dat alles zusammen.«
Heute steht Leif Ketels’ nagelneuer Benz vor der Doppelgarage. Die beiden Polizisten scheinen Glück zu haben. Es sieht so aus, dass der Vertreter der Nürnberger zu Hause ist. Auch Leif und Swaantje Ketels haben in der neu erschlossenen Stichstraße am Rande von Fredenbüll gebaut. Der Rotklinkerbau ist nicht ganz so pompös wie Dossmanns Hütte ein paar Häuser weiter, aber irgendwie freundlicher. Die Einfahrt ist zwar auch mit Waschbetonplatten ausgelegt, aber statt Thujen säumen ein Holzzaun und wilde Nordseerosen das Grundstück. Neben dem Namensschild aus gebranntem Ton hängt das offizielle Schild der Nürnberger Versicherung – »Im Zeichen der Burg« – an der Haustür. Vom Eingang aus hat man einen Blick in Ketels’ Büro, das mit im Erdgeschoss untergebracht ist.
Der Gong tönt wie in einem buddhistischen Kloster.
»Ommm«, imitiert Nicole ein Meditations-Mantra und grinst. Die beiden warten eine ganze Weile und läuten ein zweites Mal. Als sie gerade wieder gehen wollen, öffnet sich die Tür.
Leif Ketels trägt eine große dunkle Brille und über den Brillenrand ragt ein in allen Regenbogenfarben schillerndes Hämatom. Er hat immer noch ein Pflaster im Gesicht und eins am Ohr. Seine linke Hand ist dilettantisch mit einer leicht angeschmuddelten Mullbinde umwickelt. Nicole und Thies werfen sich einen kurzen, vielsagenden Blick zu. Eben hatten sie noch völlig im Dunkeln getappt. Doch ganz plötzlich, von einem Moment zum anderen, scheint der Mörder vor ihnen zu stehen. Auf einmal ist es für die Polizisten sonnenklar, dass Leif Ketels es war, der in jener Nacht in die blutige Auseinandersetzung in der Remise verwickelt war. Ein Streit mit Jörn Brodersen – wegen Swaantje oder warum auch immer –, bei dem Ketels Brodersen am Ende erschossen hat?
Thies und Nicole sehen sich noch einmal an. Waren sie eigentlich blind gewesen? Dass Ketels nie erreichbar und ihnen in den letzten Tagen immer wieder ausgewichen war, hätte sie doch längst stutzig machen müssen. Auf dem getöpferten Türschild steht ganz deutlich in geschwungenen Tonwürstchen die Lösung des Falles: Leif Ketels.
»Moin, Leif«, sagt Thies in einem Ton, als würde er seinen desolaten Zustand überhaupt nicht bemerken. »Leif, das ist KHK Stappenbek aus Kiel. Kannst dir ja denken, warum wir hier sind.«
Der Versicherungsvertreter steht völlig bewegungslos in der Tür und sagt keinen Piep.
»Tach, Herr Ketels«, sagt Nicole, ohne ihm die Hand zu reichen. »Herr Ketels, wir haben ein paar Fragen an Sie.«
Endlich öffnet Ketels den Mund: »Wissen Sie, das passt mir im Augenblick eigentlich gar nicht.«
»Dat kann ich mir denken«, bemerkt Thies knapp.
Ketels hofft anscheinend, bei der Kommissarin Verständnis zu finden. »Sie sehen ja selbst.«
»Dann erklär uns doch bitte mal, wie das überhaupt passiert ist.« In Thies’ Frage schwingt ein bei ihm seltener ironischer Unterton mit.
»Blöd ausgerutscht. Im Badezimmer.« Er spricht so leise, dass die Polizisten ihn kaum verstehen können.
»Auf der Seife ausgerutscht und dann ins Rasiermesser gefallen, oder wie
Weitere Kostenlose Bücher