Rote Gruetze mit Schuss
seh ich die Sache?«, höhnt Thies.
»Ich weiß, das klingt jetzt blöd«, winselt Ketels kleinlaut.
»Wollen wir das nicht drinnen bereden?«, schlägt Thies vor, und die Kommissarin ergänzt: »Ich glaube, wir brauchen ein paar Minuten.«
»Wenn es sein muss«, nuschelt Ketels und bittet die beiden Polizisten herein. »Kennst dich ja aus, Thies.«
Von einer Diele aus kann man einen Blick in das kleine Versicherungsbüro werfen. Auf dem Schreibtisch und auch auf dem Fußboden stapeln sich Aktenordner, Schnellhefter und lose Papiere. Im Vorbeigehen zieht Leif panisch die Tür zu und schleust Thies und Nicole in den Wohnbereich. Er bewegt sich schwerfällig.
»Ihr seht ja selbst, ich bin auf Besuch gerade überhaupt nicht eingerichtet«, flüstert Ketels sichtbar nervös. »Ihr wisst ja, die Sache mit Swaantje.«
Im Wohnzimmer muffelt es. Auf dem Couchtisch vor dem Fernseher stehen schmutziges Geschirr, einefast leere Flasche Wein aus dem Edeka-Sortiment und Pommesreste in einem Pappschälchen aus »De Hidde Kist«, das Ketels fahrig mit einer Hand zur Seite schiebt. Er trägt noch immer die Sonnenbrille.
»Bitte.« Mit der verbundenen Linken deutet er auf die Sitzecke. Die beiden Polizisten setzen sich.
»Herr Ketels, Sie sprechen es selbst an: Was ist mit Ihrer Frau? Uns wundert es, dass Sie sie bei Herrn Detlefsen vermisst gemeldet haben.«
»Bei Klaas ... aber egal.«
»Und dann sind Sie für uns tagelang nicht erreichbar. Haben Sie denn irgendein Lebenszeichen von Ihrer Frau erhalten?«
Leif schüttelt den Kopf. Endlich setzt er seine Sonnenbrille ab. Das Veilchen um das rechte Auge herum wird in seiner ganzen Pracht sichtbar. »Ich habe überhaupt keine Erklärung für ihr Verschwinden. Ich mache mir die größten Sorgen.«
Das klingt sogar überzeugend, findet Thies.
»Wir haben nun aber deutliche Hinweise darauf, dass ihre Frau Sie verlassen wollte.« Nicole muss ein Niesen unterdrücken.
»Wer behauptet das denn?« Ketels’ Stimme klingt etwas fester.
»Wir«, sagt Thies ganz ruhig. »Leif, dat is nu ’n offenes Geheimnis, dass Swaantje was mit Jörn Brodersen hatte ...«
»Das geht uns natürlich gar nichts an ...«, ergänzt Nicole.
»...aber dann stehen da noch Swaantjes rote Koffer bei Renate«, sagt Thies.
»Herr Ketels, jetzt erzählen Sie uns doch erst mal, wie Sie sich ihre Verletzungen zugezogen haben.« Nicole schnieft einmal kräftig.
»Hab ich doch gesagt«, stottert Leif.
»Ja, ja, ich weiß, Leif, Badewanne ... und ich bin der Polizeipräsident von ganz Deutschland.«
»Herr Ketels«, Nicole Stappenbek sieht ihn jetzt eindringlich an, »bevor Sie sich um Kopf und Kragen reden, wir haben sehr eindeutige Hinweise darauf, dass in der Remise des Gutes von Rissen ein Kampf stattgefunden hat. Und wenn ich mir Sie so ansehe, liegt der Schluss nahe, dass Sie daran beteiligt waren.«
Ketels sieht Nicole Stappenbek unsicher an.
»Der ganze Tatort ist mit Spuren übersät. Wir werden gleich Fingerabdrücke und eine Speichelprobe von Ihnen nehmen. Wenn Sie sich Ihre Verletzungen dort in der Remise zugezogen haben, werden wir das sehr bald wissen.«
»Komm, Leif, da müssen wir gar nich lange schnacken«, versucht Thies den Versicherungsvertreter zu einer Aussage zu bewegen.
Ketels zupft sich mit der unverletzten rechten Hand an seinem dünnen Schnurrbart. »Ich hab Ihnen gar nichts zu trinken angeboten.«
»Jetzt lenk ma nich ab! Die Frau Kommissarin hat dir ’ne Frage gestellt.« Thies wird ungeduldig und beugt sich zu Ketels vor.
»Herr Ketels, das Leugnen macht doch keinen Sinn mehr«, redet ihm Nicole Stappenbek gut zu.
Es ist regelrecht zu sehen, wie es in dem schmächtigen Mann arbeitet. Die spiddeligen rotblonden Härchendes Schnurbartes zittern. »Ja, ich war in der Remise. Aber nicht nur ich. Das halbe Dorf geht da ein und aus.«
»Das haben wir inzwischen auch ermittelt«, sagt Thies, »aber die haben nicht alle solch Veilchen wie du und nicht halb so viele Pflaster im Gesicht. Leif, spuck’s aus, du warst in der Nacht von Freitag auf Sonnabend in der Remise und hast dir Brodersen mal richtig vorgeknöpft!«
»Jaaa, ich war dort.« Ketels steht auf, geht leicht humpelnd ein paar Schritte. »Aber es war alles ganz anders, als ihr denkt.«
»Wir denken uns jetzt mal gar nichts. Wir wollen einfach nur wissen, wie es war.« Thies Detlefsen kommt langsam in Fahrt. Nicole wirft ihm einen anerkennenden Blick zu.
»Ich kam in die Remise und habe meine Frau und Brodersen
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