Rote Gruetze mit Schuss
herauskommen konnte.
»Aber von heute Nacht war nie die Rede.« Er setzt sich auf die Bettkante. Als er Swaantje in den Arm nehmen will, stößt sie ihn weg.
»Und was sollen wir jetzt machen? Wo soll ich denn hin? Verrat mir das bitte mal.«
»Warum kann nicht alles so bleiben? Nur fürs Erste«, wendet Brodersen vorsichtig ein, fährt sich durch sein kräftiges, von grauen Strähnen durchzogenes Haar und versucht sein Grinsen aufzusetzen, mit dem er bei den Fredenbüller Frauen so erfolgreich ist.
»Bist du vielleicht wirklich so ein blödes Arschloch, wie alle behaupten?«, fährt sie ihn an. »Dann sollte ich deiner durchgeknallten Frau mal erzählen, was wir hier so treiben.« Sie ist außer sich vor Wut.
»Mensch, Swaantje, mach doch jetzt nicht alles kaputt.«
»Bitte? Ich mache alles kaputt? Wir wollten ein neues Leben beginnen, erinnerst du dich? In Südamerika, weit weg von diesen Scheiß-Deichen, den stinkenden Schafen und ... und blöden Friesen.«
Bei Swaantje kullern schon wieder die Tränen, aberdann hat sie sich erstaunlich schnell gefasst. Energisch springt sie aus dem Bett und zieht sich an, zumindest Jeans und BH, während Jörn Brodersen immer noch nackt und dümmlich lächelnd im Raum steht.
»Wir wollten in Brasilien Salsa tanzen!«, schimpft Swaantje und reißt dabei aus Versehen die alte Waschschüssel mit dem friesisch blauen Rand vom Tisch.
»Samba«, berichtigt Brodersen sie.
Das bringt Swaantje so richtig in Rage. Ihre weichen hübschen Gesichtzüge bekommen schlagartig etwas Hartes, fast Gefährliches. Sie greift sich den zu der Waschschüssel gehörenden Krug, zerschlägt ihn an der gusseisernen Platte des alten Ofenherdes. Von dem Henkel, den sie mit ihrer Hand fest umklammert hält, bleibt nur eine spitze Scherbe stehen, mit der sie auf Brodersen losgehen will. Darauf ist Jörn Brodersen nicht gefasst gewesen. Voll Panik reißt er einen antiquarischen Holzrechen von der Wand und hält sich die morsche Harke vor den nackten Körper, um die wild gewordene Swaantje abzuwehren.
Doch dann überlegt Swaantje es sich anders. Sie schnappt sich das neben dem Schrank lehnende Jagdgewehr. Immer noch in Jeans und BH fuchtelt sie mit dem doppelläufigen Gewehr vor Brodersens Nase herum. Ihre Hand mit den fliederfarbenen, sorgfältig lackierten Fingernägeln steht in auffälligem Gegensatz zu dem rostigen Abzug des Gewehres. Den nackten Biobauern ergreift die pure Angst. Er reißt beide Arme nach oben. Brodersen hat mit Frauen ja schon einiges erlebt. Aber mit dem Jagdgewehr ist noch keine auf ihn losgegangen. In Sekundenbruchteilen spulen sich vorseinem inneren Auge noch einmal die dramatischsten Schlussakte seiner Affären ab. Im selben Augenblick löst sich ein Schuss.
Alle beide, Swaantje und Brodersen, zucken zusammen. Das großkalibrige Projektil ist mitten zwischen den Augen gelandet. Nicht im Kopf des smarten Ökolandwirts, sondern im ausgestopften Schädel des Elches aus Nordvärmland.
Swaantje lässt die Waffe fallen und schluchzt laut auf. Brodersen rührt sich nicht. Sie lässt ihn stehen, schnappt sich Schuhe, Bluse und Jacke und stürzt nach draußen. Im Laufen zieht sie sich ihre Klamotten über. Sie schwingt sich auf das Fahrrad, mit dem sie gekommen ist, und tritt so schnell sie kann. Sie radelt ohne Licht auf dem dicht von alten Buchen und Kastanien gesäumten Sandweg Richtung Deich.
Die Nacht ist kühl und frisch, der Mond ist praktisch nicht vorhanden, fast Neumond, nur eine ganz schmale Sichel, die kaum Licht gibt. Aber die Milchstraße zieht sich satt leuchtend von dem kleinen Wäldchen, in dem das Gut der von Rissens liegt, einmal über den ganzen Himmel bis hinter den Deich. Der gewölbte Sternenhimmel wirkt ganz nah. Von Weitem ist das Blöken eines einzelnen Schafes zu hören. Ansonsten absolute Stille und fast völlige Dunkelheit.
Swaantje Ketels hört vor allem ihr eigenes Keuchen. Sie spürt jetzt die Wirkung der Flasche Sekt, die sie fast allein geleert hat. Da hatte sie noch geglaubt, dass es etwas zu feiern gäbe. Der Sattel des Rades ist etwas zu hoch eingestellt. Beim Treten kann sie die jeweils unterePedale gerade eben mit der Fußspitze erreichen. Ihre Fersen rutschen dabei immer wieder aus den Schuhen, sodass sie ihre roten Pumps zu verlieren droht. Sie hat das Gefühl, als mache sich das klapprige Rad selbstständig. Mit ziemlichem Tempo und in leichten Schlangenlinien fegt Swaantje auf der Straße den Deich entlang. Sie hat keine Ahnung, wo sie
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