Rote Gruetze mit Schuss
atmet.«
»Oh no! Ich hab echt nichts gesehen und nichts gehört.« Hauke Schröder steht verlegen am Straßenrand.
»Kein Wunder, Hauke!« Brodersen sieht ihn prüfend an. »Verdammt, stell erst mal die Mucke ab.«
»Na klar, logo.« Hauke will gerade zu seinem Wagen zurück, als Brodersen ihn zurückruft.
»Hilf mir erst mal, Swaantje aus dem Graben zu holen.«
»Müssen wir nicht ’n Unfallwagen rufen?«
»Fass mal mit an.« Brodersen ist geschäftig, aber erstaunlich ruhig. Gemeinsam ziehen sie die ohnmächtige Swaantje aus dem Graben und legen sie am Straßenrand ins Gras.
»Vorsichtig auf die Seite«, sagt Brodersen bestimmt.
»Stabile Seitenlage, ist schon klar.« Der Schimmelreiter hat die Erste Hilfe noch voll drauf.
»Bis oben hin zu. Oder wie seh ich das?«, sagt Brodersen.
»Ach wat, nur bei Bounty ’n büschen Musik gehört und ’n kleines Tütchen geraucht.« Hauke steht verunsichert neben der bewusstlosen Swaantje. »Ich weiß nich, müssen wir die Bullen unbedingt ...?«
»Ich fahr sie ins Krankenhaus nach Husum«, sagt Brodersen entschieden. »Das geht eh schneller. Was ist mit deinem Wagen?«
»Ja, Scheiße, nä, voll im Graben«, meint Hauke knapp und treffend.
»Fährt die Kiste noch? Denn ziehen wir sie eben raus. Wär ja nich so pralle, wenn die hier morgen deinen Wagen entdecken.«
»Echt? Würd’st das machen? Rechne ich dir hoch an, Brodersen«, sagt der bekiffte Schimmelreiter erleichtert, der, wie die Mehrheit der Fredenbüller, den Biobauern eigentlich nicht sonderlich leiden kann. »Echt in Ordnung. Muss ich wirklich sagen. Echt!«
Sie verfrachten Swaantje Ketels, die erste Regungen zeigt, aber dann sofort in die nächste Ohnmacht sackt, in Brodersens Geländewagen. Ihr Fahrrad verstauen sie im Kofferraum. Dann zieht Brodersen Haukes Toyota mit dem Abschleppseil aus dem Graben.
Über der Wiese, der Brache zwischen dem Land von Brodersen und Dossmann, um das die beiden seit Jahren einen erbitterten Streit führen, zeichnet sich in einem rötlichen Schimmern ein wunderschöner Sonnenaufgang ab. Ein kleiner Schwarm Gänse zieht im Tiefflug über die Unfallstelle hinweg nach Nordwest, Richtung Sylt. Das Schnattern übertönt das Dumm-dumm aus den Autoboxen des Schimmelreiters. Dann verstummen AC/DC ganz. Von Ferne blökt ein Schaf. Und der perlmuttfarbene Toyota kriecht im Schritttempo und mit hängendem Spoiler gen Fredenbüll. Die zusätzlichen Nebelscheinwerfer sind jetzt ausgeschaltet.
Auch Jörn Brodersen fährt mit Swaantje auf der Rückbank die L 157 Richtung Osten. Bevor die kleine Landstraße vor Bredstedt auf die Bundesstraße kommt, lenkt er seinen Wagen in eine Feldeinfahrt und wendet.
5
Im Traum ist Thies Detlefsen eben noch in einem nagelneuen Polizeiwagen, Marke Ford Mondeo, mit Blaulicht und quietschenden Reifen in die lange Kurve vor Reusenbüll geschlittert, dicht vor ihm mit einer Geschwindigkeit, die jeden Bußgeldkatalog sprengt, ein dicker Benz mit verdunkelten Scheiben und undefinierbarem, aber, da ist sich Thies sicher, eindeutig osteuropäischem Kennzeichen.
Die Sache mit dem neuen Dienstwagen entwickelt sich bei Thies langsam zum Dauerthema. Die schleswig-holsteinische Polizei hat im letzten Jahr hundert neue Ford Focus und Mondeo angeschafft, jetzt in der Basislackierung »Polarsilber«, Zweilitermaschine, Bordcomputer und Klimaanlage. Auf die Klimaanlage hätte Thies ja gern verzichtet. Aber er hat gar kein Auto abbekommen. Und er braucht dringend ein neues Dienstfahrzeug.
Der alte Taunus hat letztes Jahr nämlich den Geist aufgegeben. Seitdem fährt Thies seinen Privatwagen auch dienstlich. Aber der Escort hat auch schon achtzehn Jahre und zweihundertsiebzigtausend Kilometer drauf. Und so richtig Respekt einflößend wirkt er mit der provisorischen Lackierung in Grün-Weiß auch nicht unbedingt, zumal der Blödmann von der Tankstelle Schlütthörn beim Lackieren die Farben verwechselthat: Die Kotflügel grün, Motorhaube weiß, normalerweise gehört das umgekehrt. Das Blaulicht ist auch nur so ein mobiles Teil, das man über der Fahrertür seitlich aufs Dach klemmen kann. Nicht gerade das, was Thies sich immer vorgestellt hat.
In seinem Traum will Thies in seinem schicken neuen Mondeo auf der langen Geraden nach Reusenbüll grade den dicken Schlitten der Russenmafia überholen, da wird er brutal aus dem Schlaf geholt. Aus der Küche sind laute Stimmen zu hören.
Heike ist in hellster Aufregung. Der neue Katalog des Bredstedter
Weitere Kostenlose Bücher