Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
man einem solchen Kind hellseherische Fähigkeiten zu.«
»Normalerweise?«, fragte Adam.
»Manche glauben auch, dass eine Glückshaube ein dämonisches Zeichen ist, dass also ein Dämon dieses Kind auserkoren hat«, erklärte die Fee. »Aber ich bin mir sicher, das ist bei dir und deiner Schwester nicht der Fall.«
Da sich meine hellseherischen Fähigkeiten in Grenzen
hielten, vermutete ich, dass es sich bei der Erzählung der alten Fee um ein Ammenmärchen handelte. Adam sagte nichts, aber seine Miene wirkte nachdenklich, während er mich betrachtete.
»Und was ist deine Rolle bei dieser ganzen Geschichte?«, wollte ich von ihm wissen. Meine Stimme zitterte. Ich hatte das Gefühl, als ob sich mein Leben mit einem Schlag in eine Episode der Serie X-Faktor verwandelt hätte.
Er scharrte unruhig mit den Füßen und warf Briallen einen raschen Blick zu. »Der Rat betraut mich bisweilen mit bestimmten, besonders delikaten Angelegenheiten. So auch in diesem Fall.«
Es war offensichtlich, dass er mehr nicht sagen würde. Wenn ich an meinen eigenen Beruf und die damit verbundenen Heimlichkeiten dachte, konnte ich es ihm nicht verdenken. Trotzdem wollte ich ihm seine Lügen nicht einfach so durchgehen lassen.
»Warum hast du mir von all dem nicht von Anfang an erzählt?«
Er warf mir einen ungläubigen Blick zu. »Wie bitte? Du glaubst doch selbst nicht, dass du mir ruhig zugehört hättest? Nein, Sabina – du hättest mich einfach verprügelt und wärst dann ohne ein weiteres Wort verschwunden.«
Es ließ sich nicht leugnen, dass er Recht hatte. Dennoch gab ich mich nicht zufrieden. »Und was ist mit den entführten Magiern? Und meinem Training? Hat es sich dabei vielleicht auch nur um Verschleierungstaktiken gehandelt, um an mich heranzukommen?«
Adam schüttelte den Kopf. »Nein, ganz und gar nicht. Die verschwundenen Magier gehören zu einem weiteren Auftrag, den man mir erteilt hat. Ich konnte es kaum fassen,
als ich herausgefunden habe, dass du etwas damit zu tun hast. Es kommt mir zu seltsam vor, um an einen Zufall zu glauben, aber bisher weiß ich noch nicht, wie die beiden Dinge zusammenhängen … Was das Zaubertraining betrifft, so gehörte auch das von Anfang an zu meiner Mission. Maisie meinte, du würdest dich vielleicht wohler fühlen, sie kennenzulernen, wenn du im Vorfeld schon etwas mehr über unsere – und deine – Kultur erfahren hast.«
Ich überlegte einen Moment lang, was nicht leicht war, da mir zu viele Gedanken gleichzeitig durch den Kopf schossen. »Dann lass mich nochmal zusammenfassen.« Ich zählte die einzelnen Punkte an meinen Fingern ab. »Ich habe eine Zwillingsschwester, die als Magierin erzogen wurde. Meine Großmutter hat mich mein Leben lang belogen. Du bist irgendein Supergeheimagent für den Hekate-Rat, der mich suchen und mich mit der Kultur der Magier vertraut machen soll. Zufälligerweise hast du aber auch noch den Auftrag erhalten, die verschwundenen Magier zu finden, die ich wiederum im Auftrag von Clovis befreien soll. Ist das in etwa alles?«
Seine Lippen zuckten. »Ja, ich denke schon.«
»Also, ehrlich – das Ganze klingt wie das Drehbuch für eine drittklassige Seifenoper mit Horrorelementen.« Trotz des Schocks, unter dem ich noch immer stand, sah ich mich allmählich wieder in der Lage, klarer zu denken. Natürlich gab es noch viel zu überlegen. Schließlich findet man nicht alle Tage heraus, dass man eine Zwillingsschwester hat, von der man noch nie etwas gehört hat. Oder dass man von der Person, der man am meisten vertraut, hintergangen wurde, indem sie einem diese Schwester verheimlicht hat. Aber zumindest hatte ich
den Schmerz, den diese Enthüllungen für mich bedeuteten, wieder im Griff. Ich konnte ihn sogar in ein Gefühl umwandeln, mit dem ich mehr als vertraut war – Sarkasmus.
Adams Lippen zuckten erneut. »Freut mich, dass du deinen alten Sarkasmus doch noch nicht ganz verloren hast. Heißt das, du wirst mich nicht mehr verprügeln?«
»Darauf solltest du dich nicht verlassen, Magier. Ich bin augenblicklich nämlich etwas unberechenbar, wenn du weißt, was ich meine.«
Seine Miene wurde wieder ernst. »Ich bin mir durchaus bewusst, dass dir das wahrscheinlich nichts bedeuten wird, Sabina. Aber es tut mir wirklich leid.«
»Was tut dir leid?«
»Ich kann mir vorstellen, dass die ganze Geschichte sehr schmerzhaft für dich sein muss.«
»Das Leben ist eben kein Zuckerschlecken.«
»Lass das Gerede«, erwiderte er ernst. »Du hast
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