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Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild

Titel: Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Wells
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Miene. Inzwischen war Orpheus nach einem letzten fassungslosen Blick auf mich zu seinen Leuten zurückgekehrt und erteilte ihnen Befehle. »Ja, bitte mach das«, sagte Adam. »Ich wäre gerne bei der Beerdigung dabei.«
    Ich nickte und scharrte mit der Stiefelspitze im Staub der Straße. Auf einmal war mir die Situation seltsam peinlich. Nach allem, was wir in dieser Nacht gemeinsam durchgemacht hatten, kam es mir merkwürdig vor, so distanziert voneinander Abschied zu nehmen. Doch die Anwesenheit der anderen Magier machte es schwierig für mich, emotional zu werden. Außerdem war ich mir nicht sicher, was in Adam vorging. Wahrscheinlich wollte er so schnell wie möglich nach New York zurück, während ich herausfinden musste, was ich mit meinem restlichen Leben anfangen sollte.
    »Sabina«, sagte er und unterbrach meine Gedanken. Ich blickte auf, und unsere Blicke trafen sich. Unausgesprochene Gefühle lagen in unseren Augen – Trauer, Bedauern, Erleichterung, Anspannung und Sehnsucht. Ich weiß nicht, wer sich als Erstes bewegte. Jedenfalls fand ich mich auf einmal in seinen Armen wieder, die mich fest an sich drückten. Es war keine leidenschaftliche Umarmung wie in der Nacht zuvor in seinem Wagen. Nein, diesmal war es die Umarmung zweier Krieger nach der Schlacht, aber auch die Umarmung zweier Freunde, die
um einen dritten trauerten. »Pass auf dich auf«, flüsterte Adam mir ins Ohr.
    Ich presste die Augen zusammen, da ich merkte, wie mir die Tränen kamen. Wenn ich auch nur eine entwischen lassen würde, wäre es um mich geschehen – das wusste ich. Ich schniefte also leise und löste mich dann von ihm. »Du auch«, murmelte ich.
    »Lazarus!« Orpheus’ Stimme war eine fast willkommene Störung.
    Adam wandte sich um. »Ich komme!«, rief er. Dann drehte er sich noch einmal zu mir um. Seine Hände lagen noch immer auf meinen Schultern. »Ruf mich an.«
    Ich nickte wortlos, da ich mir nicht sicher war, ob ich nicht doch noch zu weinen anfangen würde, wenn ich den Mund aufmachte. Er drückte noch einmal meine Schultern und ging davon. Ich blickte ihm einen Moment lang nach. Er richtete sich auf, als hätte er einen Schalter umgelegt, wieder ganz auf Dienstmodus geschaltet. Während er und die anderen Magier in der Dunkelheit verschwanden, um ihre grausige Pflicht zu tun, ging ich zum Van – bereit, die meine zu erfüllen.
    Der Zündschlüssel steckte noch. Ich ließ den Motor an und stellte sowohl die Rückspiegel als auch den Sitz auf mich ein. Als ich es nicht länger hinausschieben konnte, drehte ich mich langsam um und betrachtete die tote Vinca. Adam hatte eine Decke über ihren Körper gelegt, die er irgendwo in der Lagerhalle gefunden hatte.
    »Dann wollen wir dich mal nach Hause bringen«, sagte ich leise.
    Erst als ich das Weingut hinter mir gelassen hatte, begann ich zu weinen.

31

    Als ich den Wald erreichte, wartete Vincas Familie bereits auf mich. Eigentlich hatte ich vorgehabt, aus dem Wagen auszusteigen und die Rede zu halten, die ich mir während meiner sechsstündigen Autofahrt von Napa Valley bis Crescent City an der Grenze zu Oregon überlegt hatte. Ich war derart damit beschäftigt, die richtigen Worte zu finden, dass ich es zuerst nicht einmal seltsam fand, bereits auf dem Parkplatz des Nationalparks von etwa zwei Dutzend Feen empfangen zu werden, die dort auf mich warteten.
    Unsicher trat ich auf die Gruppe zu. »Hallo«, sagte ich. »Sie kennen mich zwar nicht, aber ich …«
    Eine Frau, die etwa Ende zwanzig war, kam auf mich zu. Sie hatte eine elegante aufrechte Haltung und stark gerötete Augen. »Wo ist sie?«
    Ich war so verblüfft über diese Art der Begrüßung, dass ich automatisch antwortete. »Hinten im Wagen.«
    Die Frau nickte und gab den Männern der Gruppe ein Zeichen. Alle sechs von ihnen traten vor, öffneten den Van und holten Vincas Leichnam schweigend heraus. Dann trugen sie den Körper an den schluchzenden Frauen vorbei in den Wald hinein, wo man sie schon bald nicht mehr sehen konnte. Ich drehte mich verblüfft zu der Frau neben mir um.

    »Danke, dass Sie Vinca nach Hause gebracht haben«, sagte sie. »Ich bin Astrid, ihre Mutter.«
    Sie streckte mir ihre Hand entgegen, die ich behutsam, wenn auch noch immer etwas verwirrt, ergriff. »Ich bin Sabina. Vinca war meine Freundin.«
    Die Frau legte den Kopf zur Seite und sah mich eindringlich an. Ihre moosgrünen Augen blickten einen Moment lang fragend in die meinen, und sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen.

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