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Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild

Titel: Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaye Wells
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Nach einer Sekunde hatte sie sich wieder weit genug im Griff, um mich zu beschimpfen. »Du bist eine Schande für die ganze Familie, Sabina.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Vermutlich.«
    Als ich Adam einen heimlichen Blick zuwarf, zwinkerte er mir zu. Ich musste mir die größte Mühe geben, das Gesicht zu wahren und nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Trotz des ätzenden Gefühls in meinen Eingeweiden und der Schwäche, die meine Wunden mit sich gebracht hatten, genoss ich es, zum ersten Mal in meinem Leben meiner Großmutter überlegen zu sein.
    »Was sollen wir den jetzt mit Großmütterchen machen?«, erkundigte sich Adam mit einer Stimme, die auf einmal stahlhart wirkte.
    Lavinia hob das Kinn. »Ich fürchte mich nicht vor dem Tod, falls ihr das hofft.«
    »Oh nein. Töten werden wir Euch sowieso nicht«, erklärte ich ruhig.
    »Nicht?«, fragte Adam.
    Großmutter sah mich höhnisch an. »Du bist wirklich
eine großartige Killerin. Aber ein Schwächling bist du ja schon immer gewesen.«
    Ich trat zu ihr und starrte ihr ins Gesicht. »So sehr wie ich Euch hasse, bedarf es größerer Stärke, Euch jetzt nicht zu töten.«
    »Sprich mit mir, Rotschopf«, forderte mich Adam besorgt auf.
    »Wir werden sie nicht töten. Sie verdient es nicht, so leicht davonzukommen.« Ich wandte den Blick nicht von ihr, während ich sprach. »Nein, wir werden sie am Leben lassen, damit sie miterleben kann, wie ich alles zerstöre, was ihr heilig ist.«
    »Was redest du da für einen Unsinn?«, höhnte Lavinia, doch ihr eines Augenlid begann nervös zu zucken.
    Ich sprach betont langsam, um ganz sicherzustellen, dass sie jedes meiner Worte hörte. »Ich werde nicht ruhen, bis Ihr allein und machtlos seid und von jenen gejagt werdet, die Ihr früher beherrscht habt, Großmutter. Erst dann werde ich aufhören.«
    »Ich werde dich überall finden«, entgegnete sie gehässig. Ihre Augen bohrten sich tief in die meinen. »Und wenn ich dich habe, wirst du den Tag verfluchen, an dem du geboren wurdest.«
    »Damit habe ich bereits genug Zeit verschwendet. Dafür habt Ihr gesorgt«, erwiderte ich. »Diesmal jedoch werdet Ihr diejenige sein, die zutiefst bedauert, jemals das Licht dieser Welt erblickt zu haben.«
    Ehe sie antworten konnte, skandierte Adam etwas auf Hekatisch. Ein gelbes Licht umschloss Lavinia, und sie verschwand in einer Wolke aus Rauch.
    Ich wirbelte herum und starrte den Magier an. »He, was soll das?«

    »Sorry. Ich dachte mir nur, du hättest gerne das letzte Wort.«
    Ich warf einen Blick auf die Stelle, an der meine Großmutter noch vor wenigen Sekunden gestanden hatte. Wahrscheinlich hatte er Recht. »Wohin hast du sie geschickt?«
    »Nach Sibirien. Soll um diese Jahreszeit besonders heimelig sein. Gut, vielleicht etwas kalt und abgelegen. Könnte Wochen dauern, bis sie auf eine Stadt trifft. Und vermutlich noch länger, ehe sie die Möglichkeit hat, in die USA zurückzugelangen.«
    Meine Mundwinkel zuckten. Ich war eigentlich nicht in der Stimmung, zu lachen. Aber die Vorstellung, wie meine Großmutter, die mindestens fünfhundert Jahre alt war, allein durch den Tiefschnee stapfen musste, hatte etwas ausgesprochen Belustigendes. »Du bist unmöglich.«
    »Tja, was soll ich sagen? Ich dachte mir eben, dass eine kaltherzige Vogelscheuche wie sie gut in die Tundra passen würde.«
    Ich sah mich in der Lagerhalle um. Ausgelaufener Wein, der wie Blutlachen zwischen den Aschehaufen stand, bedeckte den Betonboden. Mir lief ein eisiger Schauder über den Rücken, als mir bewusst wurde, dass dieser nächtliche Kampf nur ein erstes Scharmützel gewesen war und uns allen ein wesentlich schlimmerer Krieg bevorstand.
    »Und jetzt?«, fragte Adam. Seine Stimme hatte wieder jeglichen Anflug von Belustigung verloren. Auch er begutachtete das Schlachtfeld.
    »Verschwinden wir von hier.«
    Adam hinkte zu Vincas leblosem Körper hinüber. Im Tod waren die Wunden an ihrem Hals verheilt. Ein irisierendes
Licht umgab ihren Körper und sie wirkte eher wie eine Wachsstatue als wie ein Leichnam. Der Magier hob sie auf und hielt sie an seinen Körper gepresst.
    »Wir machen ihre Familie ausfindig«, sagte er zu mir. »Sie werden sie vermutlich an einem heiligen Ort begraben wollen.«
    Ich biss die Zähne zusammen, als ich merkte, wie Trauer, Wut und Tränen aus mir herausbrechen wollten. Hastig wandte ich mich ab und folgte Adam hinaus ins Freie. Gemeinsam gingen wir über den Weinberg, der nun voll verbrannter Rebstöcke stand.

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