Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
das?«
Natürlich verstand ich sie. Was sie allerdings geflissentlich vergaß, war die durchaus realistische Gefahr, in die ich mich begab, wenn ich mich den Dominae gegenüber untreu zeigte. Es konnte durchaus sein, dass mich einige aus ihrer Gefolgschaft dafür bestrafen wollten, und das könnte ziemlich unangenehm für mich werden.
»Und wie soll ich mich verhalten, wenn mir einer Eurer Leute etwas antun will?«, fragte ich deshalb.
Lavinia blickte zuerst Tanith und dann Persephone an. Die beiden nickten zustimmend. »Du kannst dir einer Amnestie von unserer Seite sicher sein«, erklärte daraufhin meine Großmutter. »Außerdem hast du unsere Erlaubnis, alles zu tun, was du für nötig erachtest, um unseren Auftrag auszuführen. Es geht vor allem darum, dass dir Clovis und seine Leute glauben und deine wahren Absichten auf keinen Fall durchschauen.«
Die Ironie des Ganzen entging mir natürlich nicht. Soeben hatten mich die drei noch bestrafen wollen, weil ich ohne Erlaubnis einen Vampir getötet hatte. Und jetzt ermutigten sie mich geradezu, dasselbe noch einmal zu tun, solange es nur ihren Plänen diente.
In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, während ich versuchte, mir die Konsequenzen zu vergegenwärtigen. Ich würde nicht nur von Dominae-treuen Vamps verfolgt werden, sondern würde mich schon bald dazu gezwungen sehen, ein paar hässliche Dinge zu tun, um zu beweisen, dass ich nichts mehr von den Gesetzen der Dominae hielt. Da ich von meiner Großmutter innerhalb der engen Grenzen des Lilith-Tempels erzogen worden war, würde mir vor allem Letzteres große Schwierigkeiten
bereiten. Ich hatte diese Gesetze schon lange so sehr verinnerlicht, dass ich nicht einmal auf die Idee kam, sie in Frage zu stellen.
»Sabina?«
Im Zimmer herrschte angespannte Stille, während die drei Vampirinnen ungeduldig auf meine endgültige Antwort warteten. Wollten sie mich vielleicht auf die Probe stellen? Nahmen sie an, ich würde ablehnen?
Was soll’s, dachte ich.
»Einverstanden. Ich mache es«, sagte ich.
4
Mit einem dumpfen Knall landete meine Tasche auf dem Beistelltisch. Meinen Motorradhelm legte ich auf den zugestellten Esstisch, während meine Bluse in einer Ecke auf dem Boden landete. Nun trug ich nur noch ein Trägertop und meine Jeans. Auf dem Weg in die Küche streifte ich mir noch meine schwarzen Mary-Janes-Pumps von den Füßen.
Ich holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank und trank es in einem Zug leer. Dann ging ich ins Bad, zog mich aus und stieg in die Duschkabine. Als mir das heiße Wasser auf den Kopf prasselte, merkte ich, wie der Stress, der ein Treffen mit den Dominae immer bedeutete, allmählich von mir abfiel. Nach der Dusche zog ich meinen Lieblingsmorgenmantel an und kehrte in die Küche zurück, um mir ein weiteres Bier zu schnappen. Der Seidensaum des kurzen Mantels kitzelte angenehm auf meinen Schenkeln.
Als ich die Kühlschranktür wieder schloss, knisterte es plötzlich in der Luft. Auf der anderen Seite der Anrichte sah ich im Wohnzimmer grünes Licht aufleuchten und Rauch aufsteigen. Ich griff nach meiner Pistole, die ich auf den Küchentisch gelegt hatte, und rannte mit pochendem Herzen nach drüben. Als ich sah, was dort auf mich wartete, ließ ich vor Schreck die Bierflasche fallen. Glassplitter und kaltes Bier spritzten gegen meine Schienbeine.
Der Dämon in meinem Wohnzimmer bedachte mich mit einem finsteren Blick aus seinen horizontalen Pupillen. Schwarze Hörner wuchsen aus seinen Schläfen. Zwei ziemlich ungemütlich aussehende schwarze Klauen ruhten auf seinen schuppig grünen Hüften. Mein Magen fühlte sich plötzlich so an, als hätte ich gefrorene Steine zum Frühstück gehabt. Eine innere Stimme brüllte mir zu, doch etwas zu tun, aber meine Glieder verweigerten jegliche Bewegung.
»Sabina Kane!« Die Stimme des Dämons hallte seltsam hohl in meinem Wohnzimmer wider, als dränge sie aus einer anderen Dimension zu mir herüber. Ein reptilienhaftes Lächeln umspielte seine schwarzen Lippen. Offensichtlich stattete er mir keinen Höflichkeitsbesuch ab. Ich ging langsam in die Hocke, bereit zum Kampf. Auch wenn ich noch nie zuvor mit einem Dämon gekämpft hatte, war ich nicht in der Laune, wie eine Schauspielerin aus irgendeinem drittklassigen Film nur herumzustehen und darauf zu warten, dass er mich umbringen würde.
»Verschwinde von hier!« Ich richtete die Waffe auf seine schuppige Brust.
»Das ist leider nicht möglich«, antwortete er. Wenigstens nahm
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