Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
ich an, dass es sich um einen Er handelte. Der schwarze Hosenlatz aus Leder deutete zumindest darauf hin. In seiner Klaue erschien ein Holzpflock, dessen Spitze so scharf wie die eines Speeres war.
Das sah nicht gut aus. »Wer hat dich geschickt?«, wollte ich wissen. Vorsichtig trat ich einen Schritt nach rechts. Ich hatte die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, ihm doch entkommen zu können.
Der Dämon ließ mich keine Sekunde lang aus den Augen. Er würdigte meine Frage keiner Antwort, sondern
trat zwei Schritte auf mich zu. Ich blieb abrupt stehen und hielt meine Waffe so fest ich konnte. Natürlich hatte ich keine Ahnung, ob Cidre-Kugeln auch bei Dämonen funktionieren würden, aber vielleicht brachte sie die Munition zumindest zeitweilig aus dem Konzept.
Ich warf einen Blick auf den Pflock. Der Dämon musste recht nahe kommen, um ihn zum Einsatz zu bringen. Ich hingegen hatte eine Pistole. Ohne noch länger nachzudenken, feuerte ich zwei Schüsse ab.
Die Kugeln durchdrangen die Brust meines Angreifers. Dieser blinzelte jedoch nur überrascht, während sich die beiden Löchern vor meinen Augen wieder schlossen. »Das war aber nicht nett.« Der Pflock in seiner Klaue verschwand und wurde durch eine Armbrust ersetzt.
Vor Panik vermochte ich mich einen Moment lang nicht zu bewegen. Mein Gehirn schrie mir zu, mich zur Seite zu werfen, aber auch diesmal weigerten sich meine Glieder, mir zu gehorchen. Ich konnte nur hilflos zusehen, wie der Dämon im Zeitlupentempo die Armbrust hob. Panisch öffnete ich den Mund, um zu schreien, doch es kam kein Ton heraus. Der Pfeil zischte so schnell durch die Luft, dass ich ihn kaum sah, ehe er meine Brust durchbohrte. Ich stürzte nach hinten, während er meinen Körper durchdrang und mich an die Wand nagelte. Der physische Teil meines Selbst registrierte, was passiert war. Doch mein Verstand war viel zu sehr mit der Tatsache beschäftigt, dass ich jeden Moment sterben würde. Jeden Moment würde mein Körper in Flammen aufgehen und zu Staub zerfallen. So wie es David ergangen war.
Tränen liefen mir über die Wangen. Ich schloss die Augen und wartete auf den Schmerz. Doch er kam nicht.
Nur der Schock und ein dumpfes Gefühl von schicksalhafter Unabwendbarkeit erfüllten mich.
»Warum bist du noch nicht explodiert?« Der Dämon stand nur wenige Schritte vor mir. Vorsichtig öffnete ich ein Auge, um den Bolzen in meinem Oberkörper zu begutachten. Aus dem Einschussloch oberhalb meiner linken Brust floss ziemlich viel Blut.
»Ich … Ich weiß nicht.« Je länger dieser Alptraum dauerte, desto schwerer fiel es mir, nicht die Nerven zu verlieren und hysterisch zu werden.
»Hm. Vielleicht sollte ich dich besser pfählen, nur um sicher zu gehen.«
»Ehrlich gesagt wäre es mir lieber, wenn du das nicht tun würdest«, entgegnete ich. »Ich werde vermutlich sowieso jeden Moment in Flammen aufgehen.«
Ich konzentrierte mich auf den Schmerz, der sich jetzt doch bemerkbar machte. Allerdings fühlte es sich nicht so an, als würde ich gleich lichterloh brennen. Es war vielmehr einfach der Schmerz, der von diesem verdammten Bolzen in meiner Brust herrührte. Er hatte schließlich mehrere Haut- und Muskelschichten durchbohrt – nicht gerade das angenehmste Gefühl der Welt. Aber wenn ich mir vorstellte, wie es sein musste, wenn meine unsterbliche Seele durch ein loderndes Feuer aus meinem Körper gerissen wurde, kam mir das mit dem Bolzen ziemlich harmlos vor.
Ohne Vorwarnung trat der Dämon zu mir und riss mir den Bolzen aus der Brust. Das unselige Ding hatte sich so tief hineingebohrt, dass er zweimal heftig ziehen musste, um es herauszubekommen. Ich ächzte vor Schmerz. Kalter Schweiß brach mir aus. Endlich löste sich der Bolzen mit einem widerwärtigen Schmatzen aus meiner Brust.
Ich sackte auf den Boden und rollte mich in der Lache aus Bier, Blut und Scherben wie ein Säugling zusammen.
Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie der Dämon den Bolzen ins Licht hielt und betrachtete. Er führte die Spitze an den Mund. Seine gespaltene Zunge schoss heraus, um das Blut zu kosten. Mein Blut. Ich stöhnte und schloss wieder die Augen. Mir ging es jetzt so schlecht, dass ich schon fast hoffte, bald gepfählt zu werden. Der Schmerz war wirklich unerträglich.
»Das war es dann wohl.« Die Hufe des Dämons klapperten auf dem Parkettboden. Ich spürte, wie er näher kam. »Alles in Ordnung?«
Ruckartig schlug ich die Augen auf. Meine Heilungskräfte taten bereits ihre Wirkung,
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