Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
»Was soll das?«
»Darf ich fragen, was du da machst?«
»Nein.« Ich schrieb ein paar weitere Wörter auf das Blatt und las dann, was ich herausgefunden hatte. Es schien eine sehr klare, einfache Zauberformel zu sein. Jetzt brauchte ich nur noch eine weiße Kerze und eine Prise Salz. Außerdem musste ich einen sumerischen Spruch singen. Simpel.
»Woher hast du die Bücher?«, wollte Giguhl wissen, der sich neugierig über die Bände beugte.
»Ich habe sie mir von Clovis geliehen«, erklärte ich mürrisch.
»Und was hat sich Clovis dafür von dir geborgt?«, entgegnete er frech.
Ich drehte hastig den Kopf zur Seite und starrte den Kater an. Er hatte den Blick auf meinen Hals gerichtet. Instinktiv presste ich die Hand auf die Bisswunde. »Das geht dich gar nichts an.«
Giguhl sah mich noch einen Moment lang an. Dann gab er auf und machte es sich am anderen Ende des Sofas bequem. Ich hasste es, wenn er schmollte.
»Falls dich das aufmuntern sollte: Ich glaube, ich habe eine Zauberformel gefunden, mit der ich dich wieder nach Hause schicken kann.«
Er spitzte seine kleinen Ohren, würdigte mich aber keines Blickes. »Es ist nicht nett, auf Kosten anderer blöde Witze zu machen, Sabina.«
»Das ist kein Witz. Ich kann, ehrlich gesagt, gar nicht glauben, wie einfach das sein soll.«
Jetzt war Giguhls Interesse geweckt. Er schlich zu mir und beäugte das aufgeschlagene Buch auf dem Tisch. »Soll es das sein?«
»Ja. Wollen wir es ausprobieren?«
»Bist du dir sicher, dass du das kannst? Ich meine, du hast doch noch nie zuvor gezaubert, oder?«
»Es scheint ziemlich klar und eindeutig zu sein. Bist du bereit?«
Der Kater sprang von der Couch und sah mich erwartungsvoll an. »Natürlich. Außerdem – was kann schon groß schiefgehen?«
Zwanzig Minuten später kannten wir die Antwort.
»Ich kann das einfach nicht glauben!«
Ich schüttelte den Kopf. »Es tut mir echt wahnsinnig leid.«
»Ich habe kein Fell mehr!«, rief Giguhl. »Ich sehe aus wie eine Missgeburt!«
»So schlimm ist es jetzt auch wieder nicht«, schwindelte ich. Doch in Wahrheit war es verdammt schlimm. Ich hatte noch nie zuvor in meinem Leben eine so hässliche Katze gesehen. »Betrachte das Ganze doch mal von der positiven Seite«, fügte ich hinzu. »Jetzt musst du wenigstens nicht mehr ständig Haarbälle herauswürgen.«
Dieser Bemerkung folgte eine Lawine an Kraftausdrücken auf Englisch und Dämonisch.
Hinter mir ging die Wohnungstür auf, und Vinca kam wieder herein. Ihr entsetzter Ausruf ging in der Sintflut aus Flüchen unter, die der haarlose Dämonenkater maschinengewehrartig ausstieß.
»Was ist passiert?«, flüsterte Vinca mir zu.
Ich zuckte nur mit den Schultern. Aber dafür hatte
Giguhl umso mehr zu sagen. Aufgebracht marschierte er vor uns auf und ab. Seine graue Haut sah beunruhigend faltig aus, wie er so durchs Zimmer lief und seinen nackten Schwanz durch die Luft zischen ließ. »Was passiert ist? Ich kann dir sagen, was passiert ist. Sie ist die schlechteste Magierin, der ich jemals begegnet bin!«
Ich warf ihm einen finsteren Blick zu. »He, du hast genau gewusst, dass ich keine Ausbildung habe, bevor du dich darauf eingelassen hast. Nur weil ich von der Hekate-Seite meiner Familie ein paar Magiergene habe, bedeutet das noch lange nicht, dass ich auch weiß, wie man diese Scheißzaubersprüche benutzt.«
»Ach nee, Sherlock! Da wäre ich allein nie draufgekommen.«
»Ich habe mich doch schon bei dir entschuldigt!« Wütend verschränkte ich die Arme und warf mich in die Kissen der Couch. Natürlich wusste ich, dass ich nicht sauer sein sollte. Aber ich war es. Giguhl hatte gewusst, auf was er sich einließ!
Ich sah Vinca an. »Ich habe lediglich versucht, ihn mit Hilfe einer Zauberformel, die ich in diesem Buch gefunden habe, wieder nach Hause zu schicken«, erklärte ich ihr. »Wahrscheinlich habe ich einfach nur die Übersetzung verhauen.«
Vinca schnitt eine Grimasse und sah Giguhl mitfühlend an. »Wenigstens hast du dich nicht in eine Kröte oder so was verwandelt.« Ich lächelte ihr dankbar zu. Sie versuchte zumindest zu helfen.
Neugierig trat sie an den Couchtisch und betrachtete das Zauberbuch, das noch immer neben der weißen Kerze lag, die ich für den Zauber aus der Küche geholt hatte. »Woher hast du das Buch?«, wollte sie wissen.
Ich wand mich innerlich, da ich nicht zugeben wollte, dass ich es von dem Mann gestohlen hatte, den sie so verehrte. »Ich habe es mir von Clovis
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