Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
– nein.«
»Dann lass es mich anders formulieren. Wie lange würde es deiner Meinung nach noch Menschen auf dieser Erde geben, wenn es kein Friedensabkommen zwischen den Vampiren und den Magiern gäbe, das die Vampire davon abhält, die Sterblichen einfach abzuschlachten? Es würde zu einem grauenvollen Blutbad kommen. Wenn sich der Staub gelegt hätte, gäbe es keine Menschen mehr, von denen wir uns ernähren könnten. Und wie lange würde es dann noch dauern, bis sich die Vamps gegenseitig umbringen, um an Blut zu kommen?«
Meine Nackenhaare stellten sich auf, als ich begriff, wie Recht er hatte.
»Mir ist trotzdem nicht klar, was das alles bezwecken soll? Welches Ziel verfolgen die Dominae, wenn sie ihre eigene Version der Apokalypse heraufbeschwören? Das erscheint mir so unlogisch.«
»Mein Informant …«
Ich hielt eine Hand hoch, um ihn zu unterbrechen. »Und wer genau ist das?«
»Leider kann ich dir seine Identität nicht verraten. Aber ich kann dir zumindest sagen, dass er seine Informationen von einem Mitglied des Unterrates erhält.«
Großmutter hatte also Recht gehabt, was den Spion betraf. Jetzt brauchte ich nur noch einen Namen. »Welches Mitglied des Unterrates?«
Clovis ignorierte meine Frage. »Wie gesagt, mein Informant hat mir beunruhigende Berichte über Lavinia Kanes zunehmenden Fanatismus übermittelt. Als Alpha hat deine Großmutter die beiden anderen Dominae in der Hand. Es ist natürlich allgemein bekannt, dass ihre eigene Tochter – also deine Mutter – die heiligen Gesetze gebrochen und sich mit einem Magier eingelassen hat, was letztlich zu ihrem Tod führte. Und jetzt will Lavinia den Rat der Hekate und mit ihm alle Magier dafür bluten lassen.«
So simpel konnte das nicht sein. Oder etwa doch? Meine Großmutter war doch nicht derart verblendet, dass sie einen Krieg riskierte, nur um eine persönliche Geschichte zu rächen.
Oder?
Ich holte tief Luft. Jetzt bloß nicht den Überblick verlieren. Einen Moment lang hatte ich beinahe meinen Auftrag aus den Augen verloren. Clovis war mein Feind,
selbst wenn er das nicht wusste. Und vor allem war er der Feind der Dominae. Er würde mir natürlich alles erzählen, wenn er glaubte, so ihre Macht zerstören zu können. Meine Großmutter mochte vielleicht immer noch aufgebracht über meine Mutter und ihren sogenannten Fehltritt sein, aber das würde sie niemals zu einem Krieg veranlassen.
»Wenn Ihr Recht habt – und dazu bräuchte ich erst einmal Beweise -, weiß ich trotzdem noch nicht, welche Rolle ich in dieser ganzen Angelegenheit spielen soll.«
»Ich möchte, dass du die Weinberge der Dominae zerstörst«, erwiderte Clovis.
»Was? Wie zum Teufel soll ich das machen? Ich kann mich dort schließlich schlecht einfach so einschleichen. Man kennt mich. Vergesst das nicht.«
»Sabina, deine Ausbildung zur Auftragskillerin macht dich geradezu zu einer Expertin des Einschleichens und des im Geheimen Agierens. Oder sollte ich mich da irren?«
»Nein, das stimmt. Aber …«
Er unterbrach mich. »Du überlegst dir einen Plan, wie du in die Gebäude kommst, und ich sorge dafür, dass du die notwendige Unterstützung erhältst.«
»Und was springt für Euch dabei heraus?«, wollte ich wissen.
Clovis gab sich betont bescheiden. »Wir sind allesamt daran interessiert, dass die Schattengeschlechter überleben, Sabina. Du, ich, wir alle. Ich möchte nur meinen kleinen Beitrag dazu leisten und verhindern, dass ein schrecklicher Fehler begangen wird.«
»Das ist doch absoluter Bullshit.« Die Worte rutschten mir heraus, ehe ich etwas dagegen tun konnte.
Er starrte mich einen Augenblick lang entgeistert an, als ob er nicht fassen könnte, dass jemand seinen Edelmut in Frage stellte. Dann beugte er sich vor und stützte sich mit beiden Armen auf der Tischplatte ab.
Als er sprach, klang seine Stimme leiser, aber auch härter als bisher. »Also gut. Ich will den Plan der Dominae vereiteln und sie an den Pranger stellen, um der nächste Anführer der Lilim zu werden. Wenn die Dominae ihre Macht verlieren, wird es mir vielleicht gelingen, den Rat der Hekate davon abzuhalten, sich an uns zu rächen.«
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und dachte nach. Einerseits bewunderte ich ihn fast für seine Ehrlichkeit. Andererseits war mir klar, dass er mir mit dieser ehrlichen Antwort die Information gegeben hatte, für die mich die Dominae zu ihm geschickt hatten. Jetzt wusste ich eindeutig, was er vorhatte. Allerdings brauchte ich noch
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