Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
mehr, ehe ich den letzten Punkt meines Auftrags erfüllen konnte. Meine Großmutter wollte Einzelheiten.
»Und was ist für mich drin, wenn ich einwillige, Euch zu helfen?«
Er lachte. »Wer behauptet, dass du eine Wahl hast? Denkst du nicht, die Dominae wären sehr enttäuscht von dir, wenn sie erfahren müssten, dass du auch nicht besser bist als David Duchamp?«
Mein Magen machte einen Salto rückwärts und stürzte dann ins Leere.
»Wenn ich richtig informiert bin, warst du es doch, die David umgebracht hat.«
Ich schluckte. Ich musste an Davids Augen denken – und daran, wie sie mich angeblickt hatten, als ich abdrückte.
Clovis war noch nicht fertig. »Wusstest du eigentlich,
dass David und ich uns nur ein einziges Mal getroffen haben? Ich habe ihn angesprochen, weil ich wissen wollte, ob er für uns arbeiten würde. Und weißt du, was er geantwortet hat, Sabina?«
Ich schüttelte wortlos den Kopf.
Er lehnte sich weiter nach vorn. »Er meinte, ich könne zur Hölle fahren.«
»Das ist eine Lüge.« Ich brachte die Worte kaum heraus. »David hat für Euch gearbeitet. So wurde es mir mitgeteilt, und nur deshalb sollte ich ihn töten.«
Clovis runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Nein, ich lüge nicht.«
Verzweifelt schloss ich die Augen und versuchte das Gesagte auszublenden. Hatte mir David nicht den Rat gegeben, niemandem zu trauen? Ich hatte in jener Nacht angenommen, dass er damit Clovis gemeint hatte. Aber hätte sich diese Warnung nicht genauso gut auf die Dominae beziehen können?
In meinem Kopf begann es schmerzhaft zu pochen. Auf einmal kam mir die ganze Angelegenheit so vor, als sei ich in ein Spinnennetz oder mitten auf ein Minenfeld geraten. Ich wusste nicht mehr, wohin ich treten sollte – oder ob es nicht ohnehin besser wäre, mich vollkommen still zu verhalten.
»Denk doch mal nach. Wenn die Dominae David allein deshalb umbringen ließen«, fuhr Clovis fort, »weil ich einmal mit ihm gesprochen habe, was würden sie dann wohl mit dir machen? Du hast dich schließlich schon viel weiter auf mich eingelassen, Sabina. Ja, du hast mir sogar erlaubt, von dir zu trinken.«
Ich starrte ihn so wütend an, dass ich schon fast befürchtete, meine Augäpfel müssten jeden Moment explodieren.
Clovis hatte natürlich keine Ahnung, wie harmlos seine Drohung in meinen Ohren klang. Schließlich wusste meine Großmutter alles. Sie war nicht nur damit einverstanden gewesen, dass er von mir trank, sondern sie hatte es geradezu erwartet. Trotzdem machte mich Clovis’ Versuch, mich unter Druck zu setzen, fuchsteufelswild.
Ich biss die Zähne zusammen und bemühte mich um Nüchternheit, auch wenn mir das sehr schwerfiel. Was Clovis sagte, entsprach vielleicht der Wahrheit. Vielleicht sah mich meine Großmutter wirklich nur als eine jederzeit austauschbare Figur in ihrem perfiden Spiel. Ein Teil von mir hatte das im Grunde schon immer gewusst, es aber nie wahrhaben wollen. Denn es hätte zu sehr wehgetan.
Trotzdem durfte ich nicht vergessen, wer mein wahrer Feind war. Clovis. Jetzt hatte er auch noch Davids Tod dazu benutzt, mir zu drohen, und das besiegelte in meinen Augen endgültig sein Schicksal.
»Das ändert nichts«, sagte ich.
Er lehnte sich zurück und grinste zufrieden. Offensichtlich hatte er meine Antwort als Zusage verstanden. »Ich wusste, dass du ein kluges Mädchen bist.«
Unter dem Tisch ballte ich die Fäuste. Wenn ich meinen Ärger nur ein paar Minuten im Zaum halten konnte … Danach konnte ich in die Nacht hinausstürzen und an irgendetwas oder irgendjemandem meine Wut auslassen.
»Aber wieso informiert Ihr nicht gleich den Rat? Warum bringt Ihr mich ins Spiel? Weshalb traut Ihr mir überhaupt, wenn Ihr wisst, dass meine Großmutter die Alpha unter den Dominae ist?«
»Warum ich dir traue? Eine gute Frage, Sabina. Ich will sie mal so beantworten: Ich habe meine Gründe.«
Sein Lächeln hatte etwas reptilienhaftes, und zum ersten
Mal hegte ich den Verdacht, dass vielleicht auch Clovis sein Spiel mit mir trieb. Benutzte er mich für etwas, von dem ich nichts ahnte? Wusste er möglicherweise sogar, dass ich in Wahrheit noch immer im Dienst der Dominae stand? Aber warum zog er mich dann ins Vertrauen? War das alles ein abgekartetes Spiel?
»Was deine andere Frage betrifft, so dürfen wir nicht riskieren, dass der Rat der Hekate von den Plänen der Dominae erfährt. Wenn sie davon wüssten, würden sie uns ohne Zweifel zuerst den Krieg erklären und später Fragen
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