Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
okay?«
Ich nickte und vertiefte mich wieder in das Zusammensammeln meiner Papiere. Nachdem die Fee gegangen war, saß mir nur noch Adam gegenüber.
»Weißt du nicht, wo du hin sollst?«, fragte ich ein wenig gereizt.
»Ich dachte, wir könnten mit deinem Training weitermachen«, meinte er.
Ich hielt inne und starrte ihn an. Der Kerl war wirklich anstrengend. »Die Sache ist abgeblasen.«
»Nein, ist sie nicht.«
»Doch«, entgegnete ich entschlossen. »Das ist sie. Es ist völlig offensichtlich, dass wir unterschiedliche Ziele verfolgen.«
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und warf den
Stift, den er in der Hand gehalten hatte, auf einen Stapel Kopien. »Du hast Angst«, stellte er fest.
Betont langsam stützte ich mich auf den Schreibtisch und beugte mich vor. »Was hast du da gerade gesagt?«
»Ach, komm schon, Sabina. Es ist doch ganz eindeutig. Meine Bemerkung vorhin, dass du bisher nicht dein volles Potenzial ausschöpfst, hat dich verletzt. Vor allem aber macht dir die Vorstellung Angst, eine echte Magierin werden zu können«, erwiderte er. »Und weißt du auch, warum dir das Angst macht?«
Ich schüttelte den Kopf und schürzte die Lippen. »Nein, aber ich bin mir sicher, du wirst es mir gleich erklären.«
Er stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch. »Weil du bisher in einem Käfig gelebt hast, in dem alle Regeln klar und einfach waren. Die Dominae haben dich einer gründlichen Gehirnwäsche unterzogen und alle Magier als das personifizierte Böse verkauft. Und dass du diese Seite von dir jetzt plötzlich annehmen sollst, macht dir natürlich Angst.«
»Weißt du, was mir wirklich Angst macht, Adam?«, entgegnete ich. »Dass du anscheinend annimmst, ich sei so leichtgläubig, dir diesen ganzen Psychomist abzunehmen. Du kennst mich doch überhaupt nicht. Und du hast garantiert nicht das Recht, hier zu sitzen und mir zu erklären, was ich denke oder fühle. Es bleibt dabei: kein weiterer Unterricht. Und zwar nicht, weil ich Angst habe oder im tiefsten Inneren ein verlorenes kleines Mädchen bin – sondern weil es mich einfach nicht interessiert.«
Er beobachtete mich einen Moment lang mit undurchdringlicher Miene. Dann stand er auf und kam um den Tisch herum. »Du bist also nicht interessiert? Gut. Wenn
du allerdings nicht einverstanden bist, mit dem Training fortzufahren, mache ich mich auf den schnellsten Weg zum Rat und erzähle den Hekate alles, was hier vor sich geht.«
Meine Augen wurden schmal und ich ballte die Fäuste. »Du bist echt ein Arschloch.«
Er lächelte gelassen und nahm einen Stapel Kopien vom Tisch, den er mir reichte. »Ich wurde schon Schlimmeres genannt.«
Einen Moment lang schloss ich die Augen und fragte mich, wieso die Dinge so kompliziert geworden waren.
Wenn Adam jetzt den Rat der Hekate informieren würde, käme es garantiert zum Krieg. Das stand außer Zweifel. Aber wenn ich ihn davon abhalten konnte, bestand noch eine Chance, dass ich die Dominae davon überzeugen konnte, ihren Plan fallenzulassen. Zugegeben, die Chance war gering, aber ich musste es versuchen.
Als ich meine Augen wieder öffnete, hatte Adams Lächeln sich in ein Stirnrunzeln verwandelt. Er schien den Atem anzuhalten. »Also gut«, sagte ich. »Wir machen mit dem Training weiter. Aber keine weiteren Predigten über mein Leben mehr, verstanden?«
Er nickte. »Abgemacht.«
Ich wusste, dass mein Nachgeben ein Zeichen von Schwäche war. Falls sich die Dinge allerdings nach Plan entwickelten, würde ich Clovis noch heute Nacht um die Ecke bringen und verschwunden sein, ehe Adam mir eine weitere Unterrichtsstunde aufzwingen konnte.
Prompt tauchte in diesem Augenblick Clovis im Konferenzzimmer auf – fast als hätte ich ihn durch meine Gedanken herbeigerufen. »Sabina?«
Ich drehte mich zu ihm um. »Ja?«
Er bedachte Adam und mich mit einem scharfen Blick. Sicher entging ihm nicht, wie nahe wir voreinander standen. »Störe ich etwa traute Zweisamkeit?«, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
Ich trat einen Schritt zurück. »Nein. Wir haben nur gerade unsere Pläne besprochen.« Ich warf Adam in der Hoffnung, er würde meine Aussage bestätigen, einen auffordernden Blick zu. Doch er sah Clovis nur mit einem Lächeln auf den Lippen an. Was hatte er wohl davon, so zu tun, als wäre mehr zwischen uns, als da in Wirklichkeit war?
»Sabina, kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen?«, fragte Clovis. Er formulierte es zwar als Frage, aber seinem Tonfall nach hatte ich keine
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