Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
kaum bewegen zu können. Mein Kiefer schmerzte, so heftig hatte ich die Zähne zusammengebissen. Mühsam sah ich auf. Clovis beugte sich über mich und betrachtete mich besorgt. »Trink«, wiederholte er.
Ich nahm das Glas wie durch einen Nebel wahr. Aber ich erkannte die rote Flüssigkeit, die sich darin befand. Langsam führte ich es an meine Lippen. Der erste Schluck explodierte auf meiner Zunge. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, und meine Eckzähne begannen heftig zu pulsieren. Den Rest leerte ich in einem Zug. Das Blut breitete sich wie Balsam zuerst in meiner Kehle und dann in meinen Gliedern aus. Ich schloss die Augen und leckte mir die Lippen. Mir war bewusst, dass Clovis mich beobachtete, doch ich war noch zu verstört, um mir Gedanken darüber zu machen, dass ich schwach und weichlich erscheinen könnte. Als ich die Augen wieder öffnete, hatte sich meine Atmung beruhigt, und mein Herz schlug wieder in seinem üblichen Rhythmus. Ich hatte noch immer das Gefühl, mein Kopf sei mit Helium gefüllt, und auch meine Hände zitterten weiterhin. Doch es ging mir nicht mehr so schlecht wie zuvor. Clovis stand vor mir und betrachtete mich, in seinen Augen stand nicht nur Mitleid sondern auch Berechnung.
»Besser?«
Ich nickte und wischte mir mit dem Handrücken über den Mund. »Ja.«
Er setzte sich auf den Stuhl, den ich übersehen hatte, als ich zusammengebrochen war. Eine Weile sagte er nichts, sondern sah mich nur nachdenklich an. Ich räusperte
mich und stellte das Glas auf den Boden. Meine Hände waren verschwitzt, obwohl mir eiskalt war.
»Möchtest du mir erzählen, was das war?«, fragte er schließlich.
»Ich hatte einige Zeit lang kein Blut«, schwindelte ich. Außerdem hatte ich selbst keine Ahnung, was da mit mir passiert war.
»Sabina, das hat keine so heftige Wirkung, es sei denn, du stündest knapp vor dem Verhungern.«
Ich zuckte die Schultern. »Dann weiß ich auch nicht, was es war. Vielleicht Stress.«
Er nickte und tätschelte mein Knie – eine seltsam väterliche Geste von einem Mann, der gerade versucht hatte, mich ins Bett zu bekommen. »Vielleicht solltest du deine Beine hochlegen.« Er fasste nach meinen Stiefeln, um meine Füße in seinen Schoß zu ziehen. Mir fiel die Waffe in meinem Stiefel ein, und ich riss die Beine zurück. Überrascht blickte er mich an.
»Tut mir leid, aber ich möchte jetzt nach Hause.« Ich versuchte aufzustehen. Meine Knie waren so weich, so dass ich die Hand ausstrecken und mich an Clovis’ Schulter festhalten musste.
»Bist du dir sicher, dass wieder alles in Ordnung ist?« Diesmal schwang echte Besorgnis in seiner Stimme mit.
»Ja. Ich muss mich nur ausruhen«, sagte ich. »Bestimmt bin ich morgen wieder auf dem Damm.«
Er erhob sich, während er beobachtete, wie ich versuchte, nicht erneut das Gleichgewicht zu verlieren. »Du könntest dich auch hier hinlegen.«
Meine Augen wanderten zu dem Bett, das eindeutig nicht zum Schlafen gedacht war. »Danke. Aber ich möchte lieber in mein eigenes Bett.«
Er machte eine derart enttäuschte Miene, dass ich beinahe lachen musste. Allerdings nur beinahe. Die Tatsache, dass ein weiterer Mordanschlag fehlgeschlagen war, hatte mir für den Moment jeglichen Humor geraubt. Eine Sekunde lang überlegte ich, ob ich einfach jetzt die Waffe ziehen und ihn ein für allemal aus dem Weg räumen sollte. Dann wäre zumindest dieses Problem gelöst. Doch so schwach wie ich mich fühlte, wäre ich wohl nicht weit gekommen. Clovis war zu stark, um ihm geschwächt gegenübertreten zu können.
Zitternd fuhr ich mir durch die Haare. Meine Kopfhaut war schweißnass. »Es tut mir leid wegen … Na ja, Ihr wisst schon«, murmelte ich.
Er zuckte mit den Achseln. Eine leichte Verwirrung zeigte sich auf seinem düster schönen Gesicht. »Das macht nichts. Ich bringe dich hinaus.«
Ich schüttelte den Kopf, so dass mir die Haare ins Gesicht fielen. »Danke. Es geht schon wieder.«
Ehe er protestieren konnte, verließ ich das Zimmer. Ich musste dringend von Clovis und seinen benebelnden Pheromonen fort, um endlich wieder einen klaren Kopf zu bekommen und zu wissen, was ich tat.
Als ich den Eingang zum Tempelkomplex erreichte, ging es mir bereits wieder besser. Die Mischung aus Blut und pheromonfreier Luft ließ mich wieder Kraft schöpfen. Frank hing vor der schweren Doppeltür herum, als würde er auf jemanden warten.
»Und? Erschöpft?«, fragte er mit einem anzüglichen Grinsen.
Ich blieb abrupt stehen und sah ihn
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