Rote Jägerin - Wells, J: Rote Jägerin - Red-Headed Stepchild
der Dusche gestiegen, als jemand an der Tür läutete. Triefend nass riss ich ein Handtuch vom Ständer und trocknete mich in rasender Eile ab. Fünf Minuten später waren meine feuchten Haare hochgesteckt, und ich hatte eine Jeans, ein weißes Tanktop und meine schwarzen flachen Stiefel an. Kritisch beäugte ich mich im Spiegel.
»Make-Up«, sagte ich zu meinem blassen Spiegelbild. Etwas Wimperntusche, ein bisschen Puder und Lipgloss bewirkten wahre Wunder. Ich redete mir ein, dass ich das
nur tat, um nicht so verschlafen und bleich auszusehen, wusste aber insgeheim, dass ich Adam nicht völlig ungeschminkt gegenübertreten wollte. Ich brauchte etwas Kriegsbemalung, ehe ich mich meiner ersten Unterrichtsstunde in Magie stellen konnte.
Jemand klopfte an meine Zimmertür. Da ich wusste, dass ich es nicht länger aufschieben konnte, machte ich auf. Doch zuvor rieb ich mir noch rasch meine feuchten Handflächen an der Jeans ab.
Adam lehnte lässig im Türrahmen. »Morgen«, sagte er und lächelte mich an.
»Hi.« Das Wort klang wie das jämmerliche Quaken einer Kröte mit Halsproblemen.
Sein Blick wanderte nach unten und blieb einen Moment lang an meinen Brüsten hängen. Ich verschränkte die Arme und verfluchte mich dafür, keinen BH angezogen zu haben. Dann räusperte ich mich.
»Bist du so weit? Können wir gleich loslegen?«, fragte er. Wieder trafen sich unsere Blicke.
»Ja, eigentlich schon«, erwiderte ich. »Brauche ich irgendetwas Besonderes?«
Er schüttelte den Kopf und trat dann einen Schritt beiseite, damit ich an ihm vorbei konnte. »Ich dachte mir, wir fangen am besten draußen im Hof an. Es ist eine schöne klare Nacht.«
»Klingt gut.«
Ich hatte das Bedürfnis, mich schon wieder zu räuspern. Außerdem fiel es mir schwer, ihm in die Augen zu sehen. Anscheinend machte mich dieses ganze magische Zeugs doch nervöser als ich geglaubt hatte. Wenn ich natürlich an das Misstrauen dachte, dass mir Lavinia schon von frühester Kindheit an gegen alles Magische eingeimpft
hatte, sollte mich das wohl nicht allzu sehr wundern.
Giguhl und Vinca waren nirgendwo zu sehen. War das ihr lausiger Versuch, uns zu verkuppeln oder hielten sie es einfach für klüger, nicht in der Nähe zu sein, wenn ich meine ersten Zauberversuche startete? Nachdem wir uns rasch in der Küche noch etwas Kaffee eingeschenkt hatten, folgte Adam mir nach draußen. Neben dem Pool stand ein Bistrotisch und zwei schwere gusseiserne Stühle. Adam bat mich Platz zu nehmen, was ich auch tat, nachdem ich meinen Stuhl so hingerückt hatte, dass ich die Straße im Augen behalten konnte.
»Angst, dass sich jemand von hinten anschleichen könnte?«, fragte Adam. Trotz seines spöttischen Tonfalls folgte er meinem Beispiel. Ich ignorierte ihn und vermied es sogar, ihn anzusehen.
Trotz der Kälte waren die Lichter im Pool angeschaltet. Der scharfe Chlorgeruch mischte sich mit dem Duft herabgefallenen Laubes. Ich atmete tief durch und versuchte mich zu entspannen.
»Wir sind hier nicht bei der Spanischen Inquisition, keine Sorge.«
Ich blickte zu Adam. Er lächelte mich über den Tisch hinweg an. Die Lichter im Pool hoben die Symmetrie seiner Züge noch deutlicher hervor. Als ich merkte, dass ich ihn anstarrte, rutschte ich nervös auf dem Stuhl hin und her und wandte dann den Blick hastig ab. »Ich mache mir keine Sorgen. Ich habe nur schlecht geschlafen.«
Er nickte und begann in seinem Rucksack zu kramen. »Ich dachte mir, dass wir heute erst einmal ein paar grundsätzliche Dinge durchgehen könnten. Wie viel weißt du eigentlich über Magie und Magier?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Nicht viel. Ihr seid nicht unsterblich, aber ihr werdet wahnsinnig alt. Ich nehme an, dafür ist die Magie verantwortlich.«
Er nickte. »Stimmt, die hilft. Der älteste Magier von dem ich gehört habe, lebte bis ins reife Alter von tausend Jahren.«
Ich schnalzte mit der Zunge. »Das muss aber ein ziemlich mächtiger Magier gewesen sein, um so lange zu leben.«
»Es war eine Magierin«, korrigierte er mich. »Ameritat war das Oberhaupt des Hekate-Rates.« In seiner Stimme klang Traurigkeit mit. Er schien rasch das Thema wechseln zu wollen, denn er holte ein Buch aus seinem Rucksack und legte es auf den Tisch. »Was weißt du sonst noch?«
Ich überlegte. »Darf ich ehrlich sein? Das meiste, was mir über Magier erzählt wurde, war nicht gerade sehr positiv.«
Adam lachte. »Kann ich mir gut vorstellen. Dann lassen wir doch diese Vampir-Propaganda
Weitere Kostenlose Bücher