Rote Lilien
schlafe, habe ich dabei an dich gedacht.«
»An ... an wen?« Okay, ein wenig schockiert, aber wohl eher verwirrt, dachte Hayley. Sie beschloss, schwerere Geschütze aufzufahren.
»Angefangen hat es mit dir. Ungefähr so.« Sie legte eine Hand auf seinen Nacken und stellte sich auf die Zehenspitzen. Ihre Lippen waren nur noch Millimeter von den seinen entfernt. Sie genoss den Moment, in dem ihr der Atem stockte und ihr Herz zu stolpern begann. Und dann küsste sie ihn. Sein Mund war so weich, wie sie sich das vorgestellt hatte. Und warm. Sein Haar war ein seidenweiches Streicheln auf ihrem Handrücken, sein Körper hart und muskulös.
Er blieb stocksteif stehen. Nur sein Herz hämmerte wie wild auf ihrer Haut.
Dann spürte sie seine Hand auf ihrem Rücken, die Faust, zu der sich seine Finger ballten, während sie sich in den Stoff ihrer Bluse krallten. Lilys Musikwürfel gab ein triumphierendes Gekreische von sich. Hayley zwang sich, einen Schritt zurückzutreten. Immer schön eins nach dem anderen, ermahnte sie sich. Obwohl sie Schmetterlinge im Bauch spürte, trank sie so lässig wie möglich einen Schluck Bier, während er sie mit seinen dunklen Augen anstarrte.
»Und? Was meinst du?« Er hob eine Hand und ließ sie gleich darauf wieder sinken. »Ich glaube, ich kann nicht mehr klar denken.«
»Wenn's wieder geht, musst du es mir unbedingt sagen.« Sie drehte sich um, um ihrer Tochter das Spielzeug aus der Hand zu nehmen. »Hayley.« Er streckte die Hand aus, packte den Bund ihrer Jeans und zog daran. »O nein.« Ihr Herz tat einen kleinen Sprung. Sie warf einen Blick über die Schulter. »Und das heißt?«
»Das ist die Kurzfassung von >du glaubst doch wohl nicht, dass du hier hereinspazieren, mich so küssen und dann wieder gehen kannst?< Eine Frage: Sollte das eben nur eine Demonstration sein, um mich in Sachen Amelia auf dem Laufenden zu halten, oder steckt da was anderes dahinter?«
»Ich habe mich nur gefragt, wie es sein würde. Also habe ich beschlossen, es herauszufinden.«
»Okay.« Er drehte sie zu sich herum, sah einmal kurz nach unten, um sich zu vergewissern, dass Lily immer noch mit ihrem Spielzeug beschäftigt war, und drückte sie gegen die Küchentheke. Seine Hände lagen auf ihren Hüften, als er seinen Mund auf ihre Lippen presste. Und als sich seine Zunge in ihren Mund schob, wanderten seine Hände höher und verursachten kleine heiße Explosionen unter ihrer Haut. Dann trat er einen Schritt zurück und strich mit dem Daumen über ihre brennenden Lippen. »Ich habe mich auch schon gefragt, wie es sein würde. Jetzt wissen wir's wohl beide.«
»Sieht ganz danach aus«, keuchte sie. Als Lily zu ihm krabbelte und an seiner Hose zupfte, hob er sie hoch. »Jetzt dürfte es kompliziert werden.«
»Ja, so einfach ist es nicht. Wir müssen es langsam angehen lassen, jeden Schritt genau überlegen.«
»Genau. Oder wir sagen, das ist uns egal, und ich komme später zu dir rüber.«
»Ich ... am liebsten würde ich ja sagen«, erwiderte sie impulsiv. »In meinem Kopf schreit es ja, ja, aber ich weiß nicht, warum kein Ja aus meinem Mund kommt. Dabei ist es genau das, was ich will.«
»Das berühmte >Aber<«. Er nickte. »Ist schon in Ordnung. Wir sollten uns Zeit lassen. Damit wir uns sicher sind.«
»Damit wir uns sicher sind«, wiederholte Hayley, während sie sich daranmachte, Lilys Sachen aufzusammeln. »Ich muss jetzt gehen, sonst vergesse ich das mit dem >Zeit lassen< und dem >sicher sein< weil du so verdammt gut küssen kannst. Außerdem muss ich Lily ins Bett bringen. Harper, ich will nichts Falsches tun. Ich will auf gar keinen Fall was Falsches tun.«
»Das wollen wir doch beide nicht.«
»Es geht einfach nicht.« Sie nahm Lily auf den Arm, obwohl diese bitterlich zu weinen begann, weil sie Harper loslassen musste. »Wir sehen uns dann morgen bei der Arbeit.«
»In Ordnung. Aber ich kann euch doch nach drüben begleiten.«
»Nein.« Sie rannte zur Tür, während Lily auf ihrem Arm strampelte und weinte. »Sie wird sich schon wieder beruhigen.« Das Weinen steigerte sich zu einem ausgewachsenen Wutanfall mit heftig strampelnden Beinchen und ohrenbetäubendem Kreischen. »Himmel, Lily, morgen siehst du ihn ja wieder. Er zieht schließlich nicht in den Krieg.« Die Windeltasche rutschte ihr von der Schulter und hing wie ein schwerer Anker in ihrer Armbeuge, während sich ihr niedliches Baby in ein rotgesichtiges Teufelchen aus der Hölle verwandelte. Winzige
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