Rote Sonne über Darkover - 5
aber wie immer, wenn die Schilderung einer Situation oder einer Person mich richtig ›packt‹, breche ich alle meine selbst aufgestellten Regeln, um die Erzählung mit anderen Darkover-Fans zu teilen. In die Personen dieser Geschichte habe ich mich sofort verliebt.
Mary Fenoglio gibt an, sie sei» achtundvierzig, ob es mir gefällt oder nicht«. (Na, Mary, da sind Sie ja noch ein Küken -ich habe eben ausgerechnet, daß ich seit vierzig Jahren in Science-fiction aktiv bin!) Dreißig Jahre lang war sie mit einem Psychologen verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder, ›die, Gott sei’s gedankt, sich bisher gut gemacht haben.‹ (Ja, mit Gottes Hilfe werden sie mit der Zeit menschlich!) Sie setzt hinzu, sie habe im Lauf der Jahre in verschiedenen Wettbewerben Preise gewonnen, ›meistens für Gedichte‹, daß jedoch ›das reale Leben die Gewohnheit hat, die für das Schreiben reservierte Zeit zu besetzen‹.
Tut es das nicht immer? (MZB)
Calla schwang sich von ihrem Pferd und trat in ein mit Wasser gefülltes Loch. Die eisige Flüssigkeit lief ihr in den Stiefel, was nicht geeignet war, ihre Laune zu bessern. Sie drehte sich um und funkelte ihre Begleiterin an, bereit, ein Lachen auf der Stelle abzuwürgen. Doch ihr Ausdruck wandelte sich bei ihrem Anblick von Ärger zur Besorgnis. Große blaue Augen blickten stumpf, und die dunklen Ringe darunter betonten die Blässe des zarten Gesichts.
Schnell trat Calla neben das andere Pferd und streckte der jungen Reiterin die Arme entgegen.
»Komm herunter, Ari«, sagte sie freundlich, ohne den stechenden Regen zu bemerken, der auf ihr nach oben gewandtes Gesicht niederprasselte. Sie lächelte so aufmunternd sie konnte. »Wir bringen dich hinein, wo es warm und trocken ist, und dann bekommst du etwas Heißes zu trinken. Das wird schön sein, nicht wahr? Du wirst dich dann viel besser fühlen. Nein, mach dir keine Gedanken um die Pferde - « denn das Mädchen hatte die kleine Hand auf den von Nässe überströmten Hals seines Reittiers gelegt.
»Ich werde sie versorgen, wenn dieser Gasthof keinen Stalljungen hat.«
Sorgsam führte Calla das jüngere Mädchen in das große Zimmer des Gasthofs. Ihr Fuß quietschte in dem kalten Stiefel, aber sie ignorierte das Geräusch ebenso wie die vor Erschöpfung schreienden Muskeln und die aus Mangel an Schlaf brennenden Augen. Sie war kräftig und geschmeidig und als Kurier daran gewöhnt, lange Strecken zu reiten. Wenn sich die Anstrengungen der Reise schon bei ihr so auswirkten, konnte sie nur ahnen, wie es ihrer jüngeren Gefährtin zumute sein mußte. Ariel hatte ein ruhiges und behütetes Leben geführt und war soweit wie möglich vor Aufregungen und physischen Beschwerden geschützt worden. Von beidem war sie plötzlich ereilt worden, aber aus den Augen, die sie Calla zuwandte, sprach so viel Vertrauen wie immer.
Nur wenige Köpfe drehten sich, als sie den Raum betraten.
Jämmerlich durchnäßte Reisende waren zu dieser Jahreszeit, wenn das Wetter unverändert schlecht war, kaum etwas Neues. Der Tisch, den Calla für sie aussuchte, stand in der Ecke ganz nahe an dem Feuer, das in dem großen Kamin loderte. Sie half Ari, den nassen Mantel abzulegen. Die Kapuze fiel, der Feuerschein beleuchtete goldenes Haar und übergoß ihr zartes Gesicht mit einem rosigen Glühen. Jetzt drehten sich die Köpfe doch. Die Männer in dem Gästezimmer wurden ganz still.
Calla bemerkte es, und sie war darauf vorbereitet gewesen. Sie war kräftig und dunkel, ihr Haar war kurz geschnitten, damit die Kuriermütze besser darauf saß. Ihre Züge waren regelmäßig, die Augen dunkel und glänzend, der Körper anmutig und gut gebaut.
Aber sie verblaßte neben Aris klassischer Schönheit bis zur Unsichtbarkeit. Das machte ihr nichts aus, denn sie hatte an diesem Punkt ihres Lebens wenig Verwendung für Männer und zog Aris Gesellschaft - oder das Alleinsein mit sich selbst - der Gesellschaft jedes Mannes vor, den sie bisher kennengelernt hatte. Was sie störte, war die Einstellung der Männer zu Ari; sie nahmen ein lauerndes, räuberisches Gebaren an. Calla verabscheute sie dafür.
Wie immer merkte Ari natürlich nichts. Sie brachte unterschiedslos jedem Menschen süßes Vertrauen entgegen. Wenn Männer entdeckten, daß sie kindlich und unschuldig war, gerieten sie in doppelte Erregung, und Calla fand sie dann doppelt abstoßend. Ari hatte noch nie gesprochen. Von ihrer Babyzeit an war sie lieb und still gewesen, gehorsam und leicht zu lenken,
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