Rote Sonne über Darkover - 5
stehen. Genau die Art, nach der wir immer Ausschau halten.«
»Willst du mich anwerben?« erkundigte Calla sich.
»Ganz so würde ich es nicht nennen.« Linzel lächelte. »Aber wenn du uns erst einmal kennengelernt hast, wenn du uns ein bißchen besser verstehst, wenn du gesehen hast, was wir zu bieten haben …«
»Wie du sagtest, habe ich immer auf eigenen Füßen gestanden«, erklärte Calla bedächtig. »Zumindest für lange Zeit. Es gefällt mir so. Jedesmal, wenn ich mich auf andere verlassen habe, hat das zu einer Enttäuschung geführt. Ich bin dir dankbar für die Hilfe, die du uns gestern abend geleistet hast, aber …«
»Daran waren keine Bedingungen geknüpft«, antwortete Linzel schnell und entschieden.
»Trotzdem bin ich dir dankbar. Es gibt jedoch Dinge, von denen du nichts weißt. Sie könnten dich von deinem Wunsch, uns mitzunehmen, abbringen.«
»Ich habe Zeit zuzuhören«, sagte Linzel liebenswürdig.
»Ari hat einen jüngeren Bruder namens Alyn. Er hat die Herrschaft über unsere Heimat Blaumtarken, weil Ari - ist, wie sie ist, und ihre Frau Mutter, die meines Vaters Schwester war, tot ist.
Mein eigener Bruder und ich kamen nach Blaumtarken, nachdem unsere Eltern bei einem Raubüberfall getötet wurden. Aris Mutter nahm uns auf. Als sie starb, wollte Alyn seine Schwester loswerden
- für immer.«
»Das verstehe ich nicht«, meinte Linzel erstaunt. »Sie stellt doch kaum eine Bedrohung für ihren Bruder dar …«
»O doch. Als ältestes Kind erbt sie den Besitz, und in unserer Gegend gibt es kein Gesetz, das jemanden wie sie von der Erbschaft ausschließt. Der Besitz ist groß, und Alyn ist habgierig. Er will alles für sich allein. Sollte Ari heiraten - und glaub mir, das ist nicht so dumm, wie es sich anhört, denn ein Lord hat sie mit genau dieser Absicht bereits entführt, nur konnten wir sie rechtzeitig retten -, dann verliert Alyn alles. Um das zu verhindern, würde er sie töten.«
»Also hast du sie weggebracht.«
»Ja. Ich versprach ihrer Frau Mutter auf ihrem Totenbett, für sie zu sorgen, und ich weiß, Alyn sucht nach uns. Wir sind nirgendwo sicher, und es würde jedem, der uns ein Obdach gewährt, schlecht bekommen. Alyn ist ein mächtiger Mann.«
Linzel dachte nach. Als sie in Callas Augen blickte, waren ihre eigenen hart und glänzend.
»Wir von der Gilde fürchten uns vor keinem Mann«, erklärte sie ruhig. »Mein Angebot bleibt bestehen.«
Callas Augen glänzten ebenso, ihre Stimme klang ebenso entschlossen. Sie bot Linzel die Hand.
»Dann nehmen wir, Ari und ich, mit Dank an.«
»Sie hat ein Händchen für Blumen, die Kleine«, sagte die Schwester vergnügt zu Calla. Sie sah Ari zu, die glücklich in den Blumenbeeten grub. Calla lächelte.
»Ja, sie hat Blumen und Kräuter immer geliebt. Sie kann alles zum Wachsen bringen, glaub mir. Einmal, es war gleich nachdem wir Blaumtarken, unsere Heimat, verlassen hatten, wurde ich von einem Pferd abgeworfen und brach mir das Bein. Gute Schwestern in unserem Konvent nahe der Stadt, wo ich verletzt wurde, nahmen uns auf, und Ari war ihr erklärter Liebling. Sie liebten ihre Fröhlichkeit und Sanftmut und ihre Art, mit Pflanzen umzugehen.
Sie baten mich, Ari bei ihnen zu lassen, aber das konnte ich nicht.«
In der Erinnerung verdunkelte sich ihr Gesicht.
»Und warum nicht?« fragte die andere Frau behutsam. »Sie wäre doch sicher gut behandelt worden, wenn sie sie liebten.«
»Daran zweifelte ich auch gar nicht, und sie schien glücklich dort zu sein, aber ich hatte mein Versprechen gegeben. So etwas tue ich nicht leichtfertig. Ich habe versprochen, mich um Ari zu kümmern.«
»Es gibt stets mehr als einen Weg, ein Versprechen zu erfüllen …«
»Für mich gibt es nur einen Weg«, unterbrach Calla. »Meinen Weg. Verzeih mir, du bist sehr freundlich gewesen, und ich möchte dich nicht kränken, aber …«
»Ich verstehe«, antwortete die Frau ruhig. »Du mußt Ari sehr lieben, ebenso wie die Person, der du das Versprechen gegeben hast.«
»Ja«, sagte Calla. »Das tue ich.«
»Wir wollen nicht mehr davon sprechen.« Die Frau stand auf.
»Jetzt muß ich Ari beim Umgraben helfen, und Linzel bittet dich, sie in ihrem Zimmer aufzusuchen, bevor sie geht.«
»Geht?« fragte Calla entgeistert. Sie und Linzel waren sich in den vergangenen Wochen nahegekommen, und der Gedanke, daß ihre Freundin wegging, ohne es ihr vorher zu sagen, bestürzte sie.
»Ja, die Nachricht, daß ihre Dienste benötigt werden, kam erst
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