Rote Sonne über Darkover - 5
wir uns dafür, euch aus dem Weg zu gehen. Man kann nicht vorsichtig genug sein. Was nun die betrifft, die ihr sucht …«
»Du bist es, Calla«, meldete sich einer der älteren Männer. »Du kennst uns, und du weißt, was wir wollen. Gib uns das Mädchen, und du kannst deiner Wege ziehen, das schwöre ich. Du weißt, auf mein Wort ist Verlaß.«
»Und was ist mit Ariel, Oberlon?« Calla sah dem Sprecher kühn ins Gesicht. »Kannst du ein solches Versprechen auch für sie abgeben, daß ihr nichts geschehen wird?«
»Das ist Lord Alyns Sache, nicht meine. Was mich betrifft, so wünsche ich dem armen Mädchen nichts Böses. Aber ich gebe kein Versprechen, das ich nicht halten kann.«
»Dann soll dich der Teufel holen!« zischte Calla und zog ihr Messer. Ein paar Männer in der Gruppe lachten höhnisch, aber diejenigen, die sie kannten, lachten nicht. Sie blieben zurück, weil sie ihr nichts tun wollten, und ließen die anderen vorrücken. Calla war von den Felsen gut geschützt; nur ein Mann auf einmal konnte sie angreifen, und während sie reichlich Raum hatte, mit ihrem Messer zuzustoßen, waren die Schwerter, die die Männer trugen, zu groß, um unter so beengten Verhältnissen von Nutzen zu sein. Calla war schneller, leichter, entschlossener als ihre Gegner. Nachdem drei sich blutend von der Spalte zurückgezogen hatten, seufzte Oberlon.
»Ja, dann muß ich dich überwinden, Mädchen. Die Aufgabe macht mir keine Freude.«
»Oberlon, ich warne dich«, keuchte Calla. »Ich werde tun, was ich muß.«
»Aye, Mädchen, ich auch.« Der ältere Mann trat vor.
»Haltet ein!« erklang eine Stimme, und aller Augen wandten sich dem Sprecher zu. Die Sonne erschien in diesem Augenblick über den Hügelkuppen und fiel auf das goldene Haar und die schlanke Gestalt Alyns von Blaumtarken, dessen blaue Augen vor Triumph leuchteten. Seine verblüffende Ähnlichkeit mit Ari verwunderte Calla immer wieder von neuem; seine Art war so ganz anders als ihre.
Sie sahen sich an. Langsam, aber festen Schrittes ging Alyn auf Calla zu, die herausfordernd wartete. Sie wischte sich mit einer schmutzigen Hand, auf der das Blut bereits getrocknet war, den Schweiß vom Gesicht. Sie war müde; einen wahnsinnigen Augenblick hoffte sie, er werde sie gehen lassen. Wenn sie ihm erklärte, sie wolle Ari wegbringen, er werde keine von ihnen wiedersehen und er könne ganz Blaumtarken haben, Ari wolle nichts für sich … Calla zwang sich, seinem Blick offen zu begegnen.
Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf etwas anderes, auf etwas hinter ihr. Sie drehte sich halb um und sah Ari geduckt an der Klippenwand stehen. Das Mädchen versuchte, sich innerhalb des Reisemantels kleiner und immer kleiner zu machen. Über ihr schmutziges Gesichtchen liefen Tränenspuren, Schreck und Erschöpfung hatten es gebleicht, Strähnen ihres goldenen Haares, der Kapuze entschlüpft, umgaben es. Die blauen Augen, riesig und entsetzt, waren wie die Augen eines kleinen Tieres, das die Schritte des Jägers hört und nicht fliehen kann.
Calla richtete den Blick wieder auf Alyn, und der Ausdruck in seinen Augen ließ alle ihre Hoffnungen sterben. Triumph, Haß, Mord glitzerten dort.
Alyn trat vor, hob sein Schwert, als könne er einfach an Calla vorbeigehen und über Ari herfallen, ohne auf Widerstand zu stoßen.
Auf einer roten Woge des Zorns flutete neue Kraft in Callas Körper.
Glaubte er, sie würde müßig dastehen und ihre geliebte Ari ermorden lassen? Er würde sie am Ende vielleicht beide töten, aber leicht sollte es ihm nicht werden!
»Alyn!« rief sie, und ihre Stimme hallte von den Felsen wider. Er blieb stehen und schien sie erst jetzt zu bemerken.
»Calla, geh mir aus dem Weg. Ich warne dich, tritt zur Seite.«
»Alyn! Bleib stehen! Halte dich von ihr fern. Sie stellt keine Bedrohung für dich dar.« Callas Stimme stieg vor Verzweiflung an.
»Nimm Blaumtarken. Sie will es nicht! Nimm alles - nur laß uns ziehen!«
»Das kann ich nicht tun.« Seine schrecklichen Augen richteten sich auf Ari, die ihn hoffnungslos anstarrte. »Sieh sie an. Leer. Ein dummes Schaf von einem Mädchen, das nicht einmal sprechen kann. Ein Schmutzfleck auf dem Familiennamen, den ich beabsichtige zu entfernen!« Er sprang mit erhobener Klinge vorwärts, und Calla nahm ihr Messer fest in beide Hände. Sie hoffte, er werde nahe herankommen, zu wütend und zu selbstsicher, um vorsichtig zu sein, und sie konnte ihm einen schnellen, tiefen Stich versetzen.
Doch so geschah es
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