Rote Sonne über Darkover - 5
…«
Jetzt wurde es schnell dunkel, aber Damon meinte zu sehen, daß die Reiter Frauen waren. Alle trugen sie scharlachrote Jacken wie eine Art Uniform. Sie ritten zu schnell vorbei, als daß er hätte sicher sein können. Sobald sie außer Sicht waren, kehrte er auf die Straße zurück und wanderte weiter nach Süden. Es war kalt, aber drei der Monde standen am Himmel, so daß es hell genug zum Gehen war.
Er ging schnell, um der Kälte nicht zu erliegen; er ging, bis er so müde war, daß die Kälte ihn nicht mehr störte; er ging, bis er vor Müdigkeit umfiel. Er kroch in eine Senke neben der Straße und schlief ein. Ein kleiner Teil seines Verstandes sagte ihm, er dürfe nicht im Schnee schlafen, aber er war zu müde, um sich etwas daraus zu machen.
Als er erwachte, war die Welt grau und neblig. Er konnte kaum etwas anderes sehen als die Straße. Aber die machte er ganz deutlich aus, und er fühlte sich viel besser. Sein Körper schmerzte nicht und fror nicht und hielt ihn auf seiner Reise kein bißchen auf. Er ging weiter die Straße hinunter und weiter und weiter …
Die Straße schien sich in alle Ewigkeit fortzusetzen, und er wußte schon gar nicht mehr, wie lange er ihr folgte. Aber schließlich sah er ihn - den Arilinn-Turm, schimmernd in der Sonne, den schönsten Anblick auf der ganzen Welt.
Und Hilary rief ihn. »Damon? Damon, wach auf! Damon, du hast mir gesagt, ich solle dich zur Mitte des Nachmittags aufwecken.«
Mühsam öffnete er die verklebten Augenlider und blickte zu ihr hoch. Die Landschaft vor seinem Fenster lag im Schatten, was bedeutete, daß die Sonne zur anderen Seite des Turms weitergerückt war. Es muß ziemlich später Nachmittag sein, dachte er, verzweifelt bemüht, sich zu orientieren.
»Hilary?« Sie sah ihn offensichtlich besorgt an. »Geh in die Küche hinunter und hole mir etwas Jaco, willst du?« Sie nickte schnell und ging. Damon zog sich aus dem Bett und schaffte es, ein paar Sachen überzuziehen, bevor Hilary zurückkehrte, ein Tablett mit einem dampfenden Krug und einem Becher tragend. Damon nahm es dankbar entgegen, ließ sich damit in einen Sessel sinken und winkte ihr, sich in einen zweiten zu setzen.
Sie rollte sich wie ein Kätzchen zusammen und wickelte ihre Röcke um die Füße. »Was ist los, Damon? Was möchte Leonie, das wir tun sollen?«
»Sie ist beunruhigt wegen Gregori, Hilary. Da du noch neu im Turm bist, hast du es vielleicht nicht gemerkt, aber es ist in einem Turm nicht Brauch, einen Poltergeist zu beherbergen.«
Hilary legte für einen Augenblick den Kopf ein bißchen auf die Seite, offensichtlich lauschend. »Er sagt, er wird nicht nach Nevarsin zurückgehen. Dort mag man ihn nicht leiden.« Sie runzelte die Stirn und stellte ihre eigene Frage. »Warum mag Leonie ihn nicht leiden?«
»Man kann nicht sagen, daß Leonie ihn nicht leiden mag. Sie macht sich nur Sorgen, daß er deine Ausbildung stört. Sie möchte dich zur Bewahrerin ausbilden.«
Hilarys Augen öffneten sich weit. »Mich? Ich soll Bewahrerin werden?« Ihre Stimme klang ehrfürchtig, als böte man ihr an, sie zur Königin in Thendara zu machen. Nun, Bewahrerin von Arilinn war ein ebenso hoher Rang.
»Und um ihn macht sie sich auch Sorgen«, fuhr Damon fort, dem plötzlich etwas einfiel. »Hilary, frag ihn, wer die Frauen auf der Straße waren, die mit den roten Jacken.«
Hilary hörte mit leerem Gesichtsausdruck zu. »Was ist die Schwesternschaft vom Schwert?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich weiß es nicht; ich habe nie von ihnen gehört.« Sie lauschte mehrere Minuten, dann wandte sie sich Damon zu. »Anscheinend sind sie so etwas wie die Entsagenden.«
»Hilary«, sagte Damon freundlich, »die Schwesternschaft vom Schwert existiert seit über zweihundert Jahren nicht mehr.«
»Aber Gregori ist noch nicht so alt!« protestierte Hilary.
»Gregori ist tot«, stellte Damon sanft fest. »Er ist in der ersten Nacht auf der Straße von Nevarsin gestorben. Erinnerst du dich, Gregori? Du legtest dich in die Senke neben der Straße und schliefst ein, und als du aufwachtest, warst du tot. Aber du warst so entschlossen, nach Arilinn zu gelangen, daß du es nicht merktest.
Dir fehlte es an Erfahrung, um zu erkennen, daß du deinen Körper hinter dir gelassen hast und ohne ihn weitergegangen bist.«
»Ist das der Grund, warum niemand ihn sehen kann?« fragte Hilary und setzte hinzu: »Gregori möchte es wissen.«
»Wenn du für mich überwachen willst, Hilary, werde ich aus meinem
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