Rote Sonne über Darkover - 5
den boshaften Blick, den Julian ihm gesandt hatte.
»Ich erfuhr durch die Türme, Regis Hastur sei in Thendara und reite noch heute nach Syrtis. Er hat zu seinem Großvater gesagt, als dein geschworener Freund habe er gegenüber deinem Vater Pflichten eines Verwandten, und er werde dich dort erwarten. Du kannst reisen, sobald alles Notwendige gepackt ist, falls du nicht lieber warten willst, bis das Wetter besser wird … Nur die Wahnsinnigen und die Verzweifelten reisen im Winter in den Hellers, aber ich glaube nicht, daß du warten möchtest.«
»Ich fürchte mich nicht vor dem Wetter«, antwortete Danilo.
Immer noch fühlte er sich wie betäubt. Er hatte seine Heimat und Regis wiedersehen wollen, aber nicht so.
»Ich habe mir die Freiheit genommen, meinen eigenen Kammerdiener zu beauftragen, dir Kleidung für den Ritt und für die Beerdigung einzupacken. Aber nimm noch etwas zu dir, bevor du aufbrichst, mein Sohn.«
Verblüfft über seinen Ton - Dyan zeigte tatsächlich außerordentliche Freundlichkeit - hob Danilo die Augen zum Gesicht seines Vormunds. Dyan sagte voll Mitgefühl: »Dein Freund wird schon auf dich warten, wenn du in Syrtis ankommst, Pflegesohn. Du brauchst nicht allein zu der Beerdigung zu gehen, darüber habe ich mich vergewissert. Ich würde selbst kommen, um ihm Ehre zu erweisen, nur …« Dyan nahm Danilos beide Hände formell in seine. Er war vollkommen abgeschirmt, aber Danilo spürte einen Hauch von einer Emotion, die er nicht ganz identifizieren konnte: Bedauern? Kummer? Leise fuhr Dyan fort:
»Dein Vater war einer der wenigen Männer, die es um der Ehre willen wagten, sich mein Mißfallen zuzuziehen. Ich werde sein Andenken in hohen Ehren halten. Bleib, solange du willst, Junge, um seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Und richte Regis Hastur meine Grüße aus.« Er ließ Danilos Hände los und trat zurück, eine Geste der Entlassung. Danilo verbeugte sich, von zu gemischten Gefühlen beherrscht, um Worte zu finden. Regis Hastur wartete schon auf ihn in Syrtis? Langsam ging er auf sein Zimmer, wo er Dyans Leibdiener damit beschäftigt fand, seine Satteltaschen zu packen. Dyan hatte ihm auch eine Geldbörse für die Ausgaben auf der Reise und für Geschenke an die Diener seines Vaters geschickt. Er hatte drei Männer als Eskorte abkommandiert, und als Danilo in die Halle hinunterkam, fand er eine warme Mahlzeit auf dem Tisch dampfen. Danilo war zu müde und bekümmert, um einen Bissen hinunterzubekommen, aber er nahm am Rande wahr, daß der Coridom oder Haushofmeister einen Korb mit Lebensmitteln brachte und mit den Satteltaschen auf das Packtier lud. Gasthöfe gab es fast keine, Raststätten nur wenige, und die lagen weit voneinander entfernt.
II
Die Schneeflocken schwebten in das offene Grab und mischten sich dort mit den Erdbrocken, die die Männer und Frauen von Dom Felix’ Haushalt, einer nach dem anderen an den Rand der Grube tretend, auf den Sarg fallen ließen.
»… und der Herr sagte zu mir: ›Deine Tochter, die ist ein gutes, kluges Mädchen, sie ist zu schade dafür, hierzubleiben und ihr ganzes Leben lang Milchtiere zu melken und Töpfe zu scheuern.‹
Und obwohl wir an Küchenhilfen knapp waren, schickte er sie mit einem Brief an Lady Caitlin auf Burg Hastur, und die Lady nahm sie als Näherin in ihren eigenen Haushalt, und später wurde sie Haushälterin bei der Lady und heiratete den Verwalter, und immer fragte er … fragte er mich nach ihr«, endete die alte Köchin mit bebender Stimme. Sie zerkrümelte den Erdbrocken in ihren Händen und ließ ihn mit den Schneeflocken ins Grab fallen. »Laßt diese Erinnerung das Leid lindern.«
Jeder der Hausleute hatte eine kleine Anekdote, eine empfangene Freundlichkeit, eine angenehme Erinnerung an den Toten erzählt.
Jetzt stand der Verwalter, den Dyan im letzten Jahr geschickt hatte, am Grab, aber Danilo hörte kaum, was er sagte. Regis war hinter ihm; sie hatten sich jedoch nur ganz kurz begrüßen können. Und jetzt trat Regis ans Grab, und als er aufblickte, begegneten seine Augen denen Danilos zum erstenmal, seit sie sich an diesem Morgen wiedergesehen hatten. Da Dyans tüchtiger Verwalter und Dom Felix’ eigene Leute sich um alles kümmerten, war für Danilo nur sehr wenig zu tun übriggeblieben. Ihm war der Gedanke gekommen, er habe ebensogut in Ardais bleiben können.
»Als ich Dom Felix zum erstenmal sah«, begann Regis, und die Schneeflocken fielen auf den eleganten blauen Hastur-Mantel und sein
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