Rote Spur
Rechnersystem der Consolidated Fisheries zu erhalten, findet am Montag kurz nach Mitternacht statt.«
Mentz saß immer noch da wie eine Sphinx.
»Momentan untersuchen wir die Möglichkeit, ein elektroakustisches Mikrofon im Keller der Chamberlainstraat Nummer 15 anzubringen. Die einzige Möglichkeit wäre, Baboo Rayan für mindestens eine Stunde vom Haus wegzulocken, zum Beispiel durch einen fingierten Überfall auf den kleinen Laden, in den er morgens einkaufen geht. Wir würden sehr umsichtig vorgehen müssen, denn wir wissen nicht, welche Sicherheitsmaßnahmen im Haus des Höchsten Rates getroffen wurden. |290| Und schließlich werden wir Julius Shabangu bis zum 13. Oktober abhören.«
Daraufhin drehte er sich um und ging hinaus.
52
Fotokopie: Tagebuch von Milla Strachan
Datum des Eintrags: 27. September 2009
Spuren zu hinterlassen, tiefe Spuren, ist eine Methode auszudrücken, »wir waren hier«. Eine Art und Weise, unserem dahineilenden Leben Sinn zu verleihen.
Wie hinterlässt man eine Spur?
Und welche Art von Spur will ich hinterlassen? Welche Spuren kann ich hinterlassen? Warum will ich Spuren hinterlassen? Ist es nur die Angst, Angst, vergessen zu werden? Denn wenn man vergessen wird, war das ganze Leben sinnlos. Ist das meine eigentliche Angst? Ist das der Grund, warum ich ein Buch schreiben will, meine einzige (und letzte!) Chance, etwas Greifbares zu hinterlassen, einen kleinen Beweis dafür, dass ich hier war?
Doch was nützt das?
Eigentlich müsste ich mich auch fragen, welchen Nutzen dieses Tagebuch hat. Ist das nicht schon ein Beweis? Ich war hier, dies und jenes ist mir widerfahren. Doch wie viele meiner Tagebücher enthalten nur Aufzeichnungen von Nichtigkeiten. Gedanken, Seufzer, geflüsterte Worte, doch nichts ist geschehen, ich habe nichts erreicht.
Denn einige Tage hinterlassen keine Spuren.
Sie gehen vorbei, als hätten sie nie existiert, sogleich vergessen im Stumpfsinn des täglichen Einerleis (oder meiner Sehnsucht, sie so schnell wie möglich zu vergessen). Die Abdrücke anderer bleiben manchmal für eine Woche oder länger erhalten, bis die Winde des Gedächtnisses sie mit dem hellbraunen Sand neuer Erfahrungen überdecken.
|291| An wie viele der durchschnittlich zweiundzwanzigtausend Tage unserer Existenz erinnern wir uns, mit genauem Datum? Vielleicht zehn oder zwölf, Geburtstage, Hochzeiten (Trennungen und Scheidungen) und Todestage, einige der großen ersten Erfahrungen. Die anderen Spuren vergehen alle mit der Zeit, so dass ein ganzes Leben letztendlich nur aus einem Monat bewusst erinnerter Tage und einem formlosen Klumpen undatierter Erinnerungen besteht.
Man sollte so leben, dass jeder Tag seine Spuren hinterlässt.
Aber wie?
53
Die Pilatus PC-12 landete um 13:52 Uhr auf dem Flughafen Walvisbaai. Es war das »Combi«-Modell, gebaut für vier Personen und eine ansehnliche Fracht – in diesem Fall zweihundert Kilogramm Computerausrüstung.
Die vier Männer – zwei Computerspezialisten und zwei von Rajhev Rajkumars besten Technikern – stiegen aus, luden die Kisten mit der Ausrüstung ab und warteten auf Reinhard Rohn, der über die asphaltierte Landebahn auf sie zukam, Einfuhrgenehmigungen in der Hand, zwei Zollbeamte an seiner Seite.
Es dauerte zehn Minuten, die Formalitäten zu erledigen. Rohn ging seinen Bakkie holen, um die Kisten damit zu transportieren. Nachdem sie alles aufgeladen hatten, begaben sich die Computerspezialisten und Techniker zum Autoverleih, jeder mit einer Reisetasche über der Schulter. Rohn blickte ihnen hinterher, wobei ihm ihre Geschmeidigkeit und ihr zur Schau getragenes Selbstvertrauen auffiel.
So war ich auch, dachte er. Vor langer Zeit.
Operation Shawwal
Mitschrift: abgehörtes Handygespräch zwischen J. Shabangu und L. Becker
|292| Datum und Uhrzeit: 27. September 2009, 17:21 Uhr
JS: Ich habe dein verdammtes Geld nicht, und das eine sage ich dir, wenn ich dich erwische, wirst du bluten!
LB: Ai, Ouboet, das bringt doch nichts. Wer hat eigentlich mein Geld?
JS: Verpiss dich!
(Gespräch beendet.)
Operation Shawwal
Mitschrift: abgehörtes Handygespräch zwischen J. Shabangu und L. Becker
Datum und Uhrzeit: 27. September 2009, 17:29 Uhr
LB: Das ist aber eine Überraschung, Ouboet!
JS: Ich werde dir sagen, wer dein Geld hat. Und dann lässt du mich in Ruhe.
LB: Ehrenwort.
JS: Shahid Latif Osman. Frag ihn.
LB: Wer ist Shahid Latif Osman?
JS: Ein verdammter Moslem, er wohnt unten am Kap. Er hat dein Geld. Jeden
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