Rote Spur
nach Simonstad fahren, wo der Kapitän der Korvette
SAS Amatola
sie erwartet. Raj müsste so gegen …« Sie sah auf ihre Armbanduhr, »zwei Uhr Neuigkeiten für uns haben.«
Quinn hätte sie gerne gefragt, wie sicher es war, dass das Schiff Kurs auf Kapstadt genommen hatte, aber er vermutete, dass es gute Gründe für die Annahme gab. Die Amerikaner standen vor demselben Dilemma – auch wenn sie das Schiff als Erste aufspürten, mussten sie es erst einmal erreichen.
»Irgendetwas Neues über den gestohlenen Nissan?«, fragte Mentz.
»Nein«, antwortete Quinn. »Absolut nichts.«
Sie folgten dem Zaun hundert Meter weit bis hinunter ans Meer. Dort endete er vor der abschüssigen Rampe, die zum Wasser führte und vor dem Durcheinander der aufeinandergestapelten, ankerförmigen Dolosse. Links befand sich ein Durchgang |429| zum Oceana Power Boat Club – ein schmaler, unkrautbewachsener Grat führte an der kurzen Seite eines Containers vorbei. Schritt für Schritt balancierte Lukas ihn entlang, mit der Brust an dem Container, wobei er sich mit den Händen an der Metallkonstruktion abstützte. Er blickte sich zu Milla um. »Komm, es geht ganz leicht.«
Sie folgte ihm.
Jenseits des Containers lag die kleine, geschützte Bucht. Die Fahrrinne hinaus ins Meer war höchstens zehn Meter breit, die Bucht selbst gerade groß genug, um sechs bis acht Motorbooten auf einmal Platz zu bieten. In der Mitte befand sich ein schmaler Steg aus billigem Holz, der auf Stahlfässern schwamm. Dahinter führte eine leichtansteigende Betonrampe aus dem Wasser.
Von hier aus gesehen hoben sich die Konturen des heruntergekommenen Clubs noch stärker von der Umgebung ab. Rechts sah man die obersten Etagen der luxuriösen Häuser am Yachthafen, links die funkelnde Waterfront. Nach Süden hin, fünfhundert Meter hinter einem hohen Graswall jenseits des Strandwegs, ragte das neue Fußballstadion dramatisch und unwirklich empor, ein glühendes Raumschiff, das vor dem dunklen Seinheuwel schwebte.
Becker betrachtete alles ganz genau. »Die wissen, was sie tun«, bemerkte er.
»Inwiefern?«
»Das ist ein fast perfekter Schmugglerhafen. Sieht so aus, als würde er demnächst abgerissen, hier kommt kein Autofahrer zufällig vorbei. Wenn man mit dem Boot anlegt, ist man so gut wie unsichtbar. Dabei hat man aber selbst eine gute Aussicht auf die Umgebung, man kann auf eine Entfernung von zweihundert Metern jemanden kommen sehen. Und man ist in fünf Minuten auf der N1, in zehn Minuten auf der N2, man ist schnell in Seepunt und in der Stadt, schnell rein, schnell raus …«
»Aber wie sollen wir dann …?« Milla wusste nicht, wie sie die Frage formulieren sollte, weil ihr schleierhaft war, wie man Raketen abfing und zu Geld machte.
|430| »Die Stelle ist perfekt. Schau mal da.« Er zeigte auf die zwei Halbmonde des Betonwellenbrechers. »Ein gutes Versteck. Von dem Punkt aus kann man fast das ganze Gebiet überblicken. Ihr großes Problem ist, dass es zwei Ausgänge gibt, und alle beide sind eng: das Tor zur Straße und die Hafenausfahrt in Richtung Meer.« Er schaute auf seine Armbanduhr und wirkte plötzlich nervös. »Wir haben nur noch knapp zwei Stunden. Komm, lass uns Kaffee trinken gehen.«
»Noch vier Stunden«, korrigierte sie.
»Nein, zwei.« Er wandte sich wieder dem schmalen Grat zu.
Auf dem Tisch lag zwischen Computern, Werkzeugen und anderer Ausrüstung die Festplatte, überraschend klein, mit zwei dünnen Drähten verbunden.
»Die Festplatte ist ein bisschen krumm, deswegen mussten wir sie erst aus dem Gehäuse befreien«, erklärte Rajkumar, nahm das schwarze, verbeulte Metallkästchen in die Hand und zeigte es Mentz. »Wir haben ein neues, angepasstes Gehäuse gebaut, in das sie trotz der Krümmung reinpasst, denn sie muss sich auf jeden Fall drehen. Das ist die einzige Möglichkeit, schnell an die Daten heranzukommen. Das Problem ist, dass die Festplatte definitiv beschädigt ist.«
»Wie sehr?«
»Das wissen wir leider nicht. Es hängt davon ab, wie viel darauf gespeichert war, wie oft sie defragmentiert wurde … Wir brauchen ein bisschen Glück.«
Mentz sah ihn ausdruckslos an.
»Das Glücksrad muss sich drehen, Madam. Früher oder später muss sich das Rad drehen.«
Sie saßen im Mugg & Bean und tranken Kaffee. Sie fragte: »Warum haben wir nur noch zwei Stunden?«
»Der verabredete Zeitpunkt ist zwei Uhr morgens. Kommen sie zu früh, müssen sie lange warten, die Leute langweilen sich und werden
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