Rote Spur
konnte sich nicht mehr beherrschen. Er flüsterte der Direktorin zu: »Haidar bedeutet ›Löwe‹, mehr habe ich nicht gefunden.«
»Versuchen Sie’s mit
lion shaykh
«, erwiderte sie gereizt, mit vor Anspannung maskenhafter Miene.
Er stand auf, brauchte einen Moment, um die Ähnlichkeit ihres Begriffs mit
lion’s cheek
zu verarbeiten, eilte dann zu einem unbesetzten Rechner, rief eine Suchmaschine auf und gab die Worte ein.
Als er das dritte Ergebnis las, riss er die Augen auf. Er klickte es an. Die Webseite war auf Arabisch, und er musste hinunterscrollen, bis er das Foto fand, das bekannte Gesicht und die englische Übersetzung der arabischen Bildunterschrift.
From The Lion Sheikh Usama Ibnu Laden May Allah Preserve Him.
»Shit!«, fluchte Rajhev Rajkumar mit langgezogenem Vokal.
Der kräftige Mann draußen vor dem Krankenwagen, derjenige, der Lukas erschossen hatte, hatte grobe, wie aus Granit gemeißelte Gesichtszüge und dicke, buschige Augenbrauen. Mit hasserfülltem Blick ließ er die Pistole sinken.
Milla starrte aus dem Hintergrund des Wageninneren heraus verächtlich zurück.
Der Arzt nahm den Tropf, hängte ihn an einen Haken und faltete die Hände auf dem Schoß. Die Träger zogen sich zurück.
»Lukas’ Geld!«, forderte Milla.
Niemand reagierte.
Sie hob die AK, richtete sie auf das Gesicht des Patienten, auf Nase und Mund und stieß zu. Der Arzt schnappte nach Luft, der große Mann draußen brüllte, aber ihre Stimme übertönte alles, hoch, schrill und wütend an der Grenze zur Hysterie: »Bringt mir das Geld von Lukas!«
|447| Nach erneutem Zögern rief der große Mann jemandem außerhalb ihres Gesichtsfelds zu: »Bringt den silbernen Koffer!«
»Und seinen Rucksack«, fügte er beherrschter hinzu.
»Nehmt ihm den Rucksack ab«, befahl der Große.
Aus der Nase des Patienten lief Blut in seinen graumelierten Schnauzer hinein. Der Arzt sah es und warf ihr einen fragenden Blick zu. Sie schüttelte den Kopf.
Dem Mann draußen wurde ein Koffer angereicht, ein weiteres Augenpaar sah sie erstaunt an und verschwand wieder.
»Aufmachen!«
Der Mann trat an den Krankenwagen, stellte den glänzenden Aluminiumkoffer auf den Boden, entriegelte ihn und hob den Deckel an.
Dollars, eingepackt.
Sie nickte.
Der Rucksack wurde gebracht. Der große Mann nahm ihn an und stellte ihn neben den Koffer.
Sie sah die Blutspritzer und Gewebefetzen an Lukas’ Rucksack. Unwillkürlich schluchzte sie auf. Sie hob den Kopf und sah den verächtlichen Blick unter den buschigen Augenbrauen. Sie legte die AK an, lehnte sich nach vorn, wie sie es gelernt hatte, und erschoss den großen Mann. Drei knallende Stakkato-Schüsse schleuderten ihn rückwärts, er bäumte sich auf und fiel, der Arzt schrie nach dem Allmächtigen, der Patient versuchte, die Arme unter der Decke hervorzuheben. Sie schwang die Waffe herum und zielte wieder auf ihn, hielt ihm die Mündung direkt an den Kopf und zischte: »Losfahren. Sofort.«
Die Träger draußen vor der offenen Ladeklappe reagierten nicht.
Erneut stieß sie dem Patienten die Mündung des Gewehrlaufs ins Gesicht, diesmal auf den Wangenknochen. Der Arzt rief verzweifelt: »Holt jemanden, bitte, holt einen Fahrer!«
Einer der Träger, ein junger Mann, kam zu sich, verschwand, Milla spürte, wie das Fahrzeug federte, die Tür wurde zugeschlagen, das Fenster hinter ihr aufgeschoben.
|448| »Wohin?«, fragte der Mann.
In der Ferne hörte man das Dröhnen von Hubschraubern.
Der Parkplatz des Tygervallei-Einkaufszentrums war dunkel und verlassen.
Sie bedeutete dem Fahrer, sich dem Renault zu nähern. Die stechenden Augen des Patienten waren auf sie gerichtet. Voller Hass.
Sie hielten neben ihrem Auto an.
»Aufmachen!«, befahl sie dem Arzt.
Er zauderte.
»Ich will aussteigen«, sagte sie, »dann könnt ihr fahren.«
|449| 4. BUCH: MAT JOUBERT
(Formblatt 92)
Februar 2010
Eine Vermisstenmeldung muss persönlich von demjenigen, der sie aufgegeben hat, bei der Polizeidienststelle, wo er sie aufgegeben hat, oder aber bei dem verantwortlichen Ermittlungsbeamten zurückgezogen werden, sobald die vermisste Person zurückgekehrt ist. Formblatt 92 der SAPS muss ausgefüllt werden, um die zurückgekehrte Person aus den Vermisstenlisten und -datenbanken zu streichen.
Richtlinien des Suidafrikaanse Polisiediens, 2008 (Zitat)
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Er liebte es, sie anzusehen.
Margaret stand auf der anderen Seite der Frühstückstheke, morgens um zehn vor sieben, bereits fertig
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