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Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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und Hände wurden bleischwer, sie konnte die Augen nicht von dem Anblick abwenden.
    In dem Lichtschein wurde die kleine Bucht sichtbar, eine fast surrealistische Szenerie, weil sich die nächtlichen Geräusche nicht veränderten. Nichts bewegte sich. Die Helligkeit war die einzige Veränderung.
    Die Minuten schleppten sich dahin.
    Dann hörte sie einen verhaltenen Schrei, leise und weit entfernt, |441| vor dem weißen Hintergrundrauschen der Stadt und der See. Sie sah zwei kleine, dunkle Gestalten, die zwischen die Betondolosse sprangen, mit bizarr langen Schatten, die von den Hunderten Flächen gebrochen wurden. Noch bevor sie es sah, noch bevor ihr Gehirn die Bewegungen analysieren konnte, wusste sie, dass es Lukas war. Sie hatten ihn entdeckt, sie sprangen auf ihn zu, Gewehre drohend auf ihn gerichtet.
    Aus zwei Stockpuppen wurden drei. Lukas, die Hände auf dem Kopf, der Rucksack aus der Ferne als kleine Rundung erkennbar. Milla versteinerte, das Blut wich ihr aus Gesicht und Gliedmaßen, und sie verfolgte mit den Augen die Gestalten, die Lukas mit Gewehrläufen vor sich her stießen und ihn wie ein Lamm zur Schlachtbank trieben.
     
    Rajkumar stieß einen hohen Triumphlaut aus, öffnete das E-Mail-Programm, fand eine lange Reihe von Nachrichten mit unverständlichen Betreffzeilen im Posteingang. Er wählte eine aus der Mitte aus, überflog sie, fand Hinweise auf das Schiff, aber nichts Brauchbares. Er wählte eine neue, las flüchtig, dann noch eine:
    Eintreffen der Fracht Montag, 23. Shawwal 1430 A. H. um 02:00 Uhr (GMT+2)
    »Verdammt!«, fluchte er und blickte auf. Janina Mentz war noch nicht zurück.
    Er las die nächste Mail.
    Wir gehen mit Ihrer Einschätzung konform. Ankunft von Madeleine und Haidar …
    »Haidar?«, fragte Raj laut. »Zwei Schiffe?«
    … jetzt 24 Stunden früher um 02:00 Uhr (GMT+2) am Sonntag, 22. Shawwal 1430 A. H.
    »Scheiße!«, stieß Rajhev Rajkumar hervor und schaute auf die Wanduhr. »Wo? Sag mir wo, verdammt!«
    Er stand von dem Computer auf. Er musste Mentz holen. Auf dem Weg zur Tür sah er sie kommen.
     
    |442| Sie zwangen Lukas, sich auf den Beton der Rampe zu knien, die Hände hinter dem gesenkten Kopf, zwei Gewehre auf ihn gerichtet.
    Vier Männer traten aus dem Gebäude, eilten zum Krankenwagen, holten die Trage heraus, schoben sie um die Ecke.
    Das Boot kam durch die Einfahrt, eine Fata Morgana, die aus der Dunkelheit heraus Gestalt annahm, schlank und schön, mit den Umrissen eines Raubvogels. Das tiefe, ferne Dröhnen der Motoren ebbte ab.
    Ihre Augen waren auf Lukas gerichtet, ihr ganzes Wesen wie gelähmt.
    Einige Männer hasteten im Laufschritt zum Holzsteg.
    Der massige Mann erschien hinter dem Gebäude und ging mit den Händen in die Seiten gestützt auf Lukas zu.
    Das Boot glitt langsam durch das stille Wasser des Hafens, Männer machten sich auf dem Deck zu schaffen, warfen und fingen Taue. Das Fahrzeug stieß weich gegen den Steg, der Bug glitt daran entlang, die Taue zogen sich stramm, das Gefährt kam zum Stillstand.
    Alle wandten sich dem knienden Lukas zu.
    Milla stand auf, gegen die Schwerkraft ankämpfend.
    Der große Mann blickte auf Lukas hinunter und sagte etwas.
    Dann trat er langsam hinter ihn. Stellte sich in Position. Ging einen Schritt zurück, streckte den Arm aus, berührte Lukas am Hinterkopf.
    Milla sah die Waffe, eine Verlängerung seines Armes, lang und dünn.
    Der ausgestreckte Arm zuckte.
    Lukas fiel vornüber.
    Der Knall schwappte dumpf an ihr vorüber. Lukas sank zu Boden, sackte zu einem Bündel zusammen.
    Sie musste ihn aufheben.
    Den Blick auf ihn gerichtet, bückte sie sich, suchte blind nach der Pistole und fand sie. Griff nach dem Gewehr. Sie richtete sich auf, mühsam, langsam. Mit kleinen, vorsichtigen Schritten |443| stieg sie den Abhang hinunter. Sie sah, dass sie Lukas einfach liegenließen und alle zum Steg gingen. Auf dem Deck herrschte Aktivität, aber sie hatte nur Augen für Lukas.
    Milla ging den geteerten Strandweg entlang. Die Pistole schob sie vorne in ihre Jeans, ohne das Scheuern des Metalls an ihrem Bauch zu spüren. Sie nahm die AK in beide Hände und strebte auf das Tor zu. Ihre Sportschuhe verursachten fast keinen Laut auf dem Kies.
    Sie stieß das Tor mit der Hüfte auf.
    Der Krankenwagen stand unmittelbar vor ihr. Der Innenraum war gelblich erleuchtet, der Mann darin war mit irgendetwas beschäftigt, mit gesenktem Kopf. Das Boot und die anderen Männer waren jetzt unsichtbar, hinter dem Gebäude

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