Rote Spur
die richtige nicht rechtzeitig rauskriegst, dann schneide ich dir persönlich die Eier ab. Ist das klar?«
|101| Gegen elf war Inkunzi zurück in seinem luxuriösen Haus, inzwischen etwas besserer Laune, weil seine Adjutanten, sein Informant und andere Kontaktpersonen in Harare ihm versichert hatten, dass sie die Route herausfinden würden, koste es, was es wolle.
Dann klingelte erneut sein Handy.
»Hallo?«
»Ouboet, mein Name ist Lukas Becker, und du hast versehentlich mein Geld gestohlen. Ich bin dir nicht böse,
Ouboet
, aber ich möchte es gerne wiederhaben.«
Die lakonische Sprache, der langsame Rhythmus, die Wortwahl und schon allein die Tatsache, dass ihn ein weißer
Afrikaner
anrief – das alles war so bizarr und kam so unerwartet, dass Shabangu unwillkürlich lachen musste.
Becker sagte daraufhin: »Mit einem Mann, der lachen kann, kann ich arbeiten, Ouboet.«
Der Agent, der das kurze Gespräch zwischen Shabangu und Hendricks verfolgte, ließ anschließend Quinn holen. Der hörte sich die Aufnahme auf dem Computer des Agenten an und befahl sofort, sie in einer eigenen Datei auf dem Server zu speichern und zu transkribieren. Dann ging er in Masilos Büro und sagte ihm Bescheid.
Später erhielt er eine Mitschrift des Becker-Gesprächs per E-Mail, mit den Sprachdateien im Anhang. Der Agent schrieb:
Ich dachte, das würde Ihnen gefallen. Ziemlich abstrus.
Quinn hörte sich das ganze Gespräch an.
(Shabangu lacht aus vollem Hals.)
Mit einem Mann, der lachen kann, kann ich arbeiten, Ouboet. Wer zum Teufel bist du?
Lukas Becker. Deine Leute haben mein Auto gekapert. Es war ein Mietwagen, sie können ihn also ruhig behalten. Aber mein Geld lag drin. Und nun meine freundliche Bitte: Ich hätte es gern zurück.
Geld? Was für Geld?
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Viel Geld. In englischen Pfund. Bargeld.
Meine Leute? Wie kommst du darauf, dass es meine Leute waren?
Weil ich einen von ihnen hier bei mir habe. Er heißt Enoch Mangope, der mit dem weißen Auge. Er hat gesagt, er würde für dich arbeiten.
Ich kenne keinen, der so heißt.
Ouboet, er wollte erst nichts sagen, aber als wir vor der Polizeidienststelle anhielten, fing er an zu reden. Und ich glaube nicht, dass er lügt. Wir sollten die Sache nicht unnötig verkomplizieren. Ich will nur mein Geld.
Ich weiß nichts von deinem Geld.
Ich glaube dir, Ouboet, aber deine Leute müssen davon wissen. Das Geld war in meinem Rucksack, und der lag hinten im Kofferraum. Den Rucksack könnt ihr auch behalten, gebt mir nur mein Geld.
Und wenn nicht?
Darüber reden wir erst mal gar nicht.
Ich sag dir jetzt mal was: Verpiss dich!
Ai, Ouboet, mit dieser Einstellung gibt’s doch nur Ärger.
Ärger? Für wen hältst du dich?
Lukas Becker. Ich dachte, ich hätte mich schon vorgestellt.
(Shabangu lacht.) Das soll wohl ein Witz sein?
(Gespräch beendet.)
Ende der ersten Sprachdatei. Quinn lachte leise und öffnete die zweite.
Ouboet, ich kann dich verstehen – ein Weißer, der dich unversehens anruft –, aber ich mache keine Witze. Ich möchte die Sache nur auf höfliche Weise aus der Welt schaffen. Was sagst du dazu?
(Shabangu lacht ungläubig.) Weißt du, wer ich bin?
Ich kenne dich nicht, Ouboet, aber Enoch, der Einäugige sagt, du seist ein Inkosi. Ein gefährlicher Kerl.
Stimmt. Und ich bin nicht dein verdammter Ouboet!
Ach, ist nur so eine Redensart von mir.
… und solltest du noch mal anrufen, wirst du rausfinden, wie gefährlich ich bin!
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Ich halte dich für sehr gefährlich, Ouboet, aber auch für einen vernünftigen Mann. Ich habe für dieses Geld sehr hart gearbeitet.
Ist mir scheißegal.
Ai, Ouboet, so etwas solltest du nicht sagen.
Was willst du machen? Mich zusammenschlagen?
Nein, Ouboet, ich frage so lange nett und freundlich, bis es nichts mehr nützt.
(Shabangu lacht.) Du bist echt völlig durchgeknallt.
Noch nicht …
Jetzt hör mal gut zu: Lass mich in Ruhe. Und sag Enoch, er arbeitet nicht mehr für mich.
18
Tau Masilo dachte nicht besonders viel über die Vergangenheit nach. Er konzentrierte sich meistens auf die Zukunft. Doch der 18. September hinterließ Spuren in seinem Notizbuch.
Seitdem Janina Mentz ihn am Abend zuvor mit der Frage zu Baadjies kalt erwischt hatte, lag ihm die Sache im Magen. Für den Anwalt war es in erster Linie eine Frage der Ehre: sorgfältig vorbereitet und informiert zu sein, alle Ecken und Winkel gedanklich auszuloten, um ein fundiertes Urteil zu fällen. Aus diesem Grund hatte ihn Mentz
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