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Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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weggeglitten, einen Schritt weit entfernt. Ich schwieg. Ich flehte nicht, weinte nicht, schrie nicht. Und mein angedeutetes Lächeln sagte: Schlag nur weiter, gib’s mir, bürde mir alles auf. Denn eines Tages werde ich zurückkehren. Um meine Bürde loszuwerden. Um auszuteilen.
    Ich suchte meinen Ort auf, sah ihm in die Augen, als er den Hand spannte. Grinste.
    Lange stand er so da, den Finger am Abzug.
    Dann schüttelte er den Kopf. »Du bist irre.« Er ließ die Waffe sinken. »Ich weiß, wo ich dich finde.« Er ging weg. »Auf geht’s!«, rief er laut.
    Ich bewegte mich nicht. Lag da im Niemandsland.
    Ich hörte, wie sie Snake wegschleiften, dann ihre Schritte, die sich von uns entfernten. Fahrzeugtüren wurden zugeschlagen. Motoren wurden angelassen, Reifen knirschten auf dem Kies, Steine prasselten gegen den Lkw, Staubwolken wirbelten auf. Ich hörte sie wegfahren, sah, wie die Lichter eines nach dem anderen verschwanden, bis sich gnädig die Dunkelheit auf uns |173| senkte. Floh van Jaarsveld schluchzte leise. Lourens keuchte einmal tief und verzweifelt auf.
    Ich sah hinauf zu den Sternen, die immer heller schienen.
    Das Dröhnen von Fahrzeugen, das schließlich verstummte.
    Dann kehrte ich zurück. Ganz langsam. Ich richtete meinen Oberkörper auf. Sah Floh nirgends.
    Ich stand auf. Alles tat mir weh, ich war unsicher auf den Beinen. Floh hielt Lourens im Arm, schützend, mit einer Hand strich sie ihm tröstend über den Hinterkopf. Er blieb einfach sitzen und ließ es geschehen.
     
    Ich sammelte unsere Sachen ein. Sie hatten alles umgedreht und ausgekippt. Meine Glock lag dazwischen, verächtlich auf den Boden geworfen. Ich fand eine Taschenlampe zwischen den verstreuten Sachen und suchte die MAG7. Sie war weg.
    Ich umrundete den Mercedes. Die Reifen waren unversehrt. Sie hatten den Tankdeckel abgedreht, ich fand ihn hinter dem Reifen. Als ich ihn wieder zudrehen wollte, stutzte ich. Aus dem Tank ragte ein doppelt gedrehter Draht mit einem Haken am Ende. Ich warf ihn ins Veld.
    Dann sah ich in die Kabine. Die Klappen sämtlicher Fächer standen offen. Auch hier war alles verstreut. Ich räumte provisorisch auf. Dann holte ich die Sachen von draußen und verstaute sie. Lourens und Floh sollten durch nichts an die nächtlichen Geschehnisse erinnert werden.
    Die Nashörner waren unruhig, rieben sich an den Gitterstäben, stampften und wiegten sich hin und her. Ich schaute auf meine Armbanduhr. Zwanzig vor zwei.
Zwischen halb zwei und zwei muss ich sie wieder spritzen.
    Ich packte alles, was noch draußen lag, wieder in die Kabine und ging zu Lourens und Floh. Sie saßen noch genauso da wie eben.
    »Wir müssen weiter«, sagte ich leise. »Ich fahre. Die Nashörner brauchen ihre Spritze.«
    Floh stand auf und zog Lourens am Oberarm, bis er sich |174| ebenfalls aufrappelte. Sie gingen zur Beifahrertür. Lourens stand unter Schock, bewegte sich wie in Trance.
    Ich setzte mich ans Steuer, schlug die Tür zu und wartete auf sie. Dann ließ ich den Motor an, kämpfte mit dem Getriebe, schaltete die Scheinwerfer ein und fuhr langsam los. Ich konzentrierte mich und versuchte, ein Gefühl für das Fahrzeug zu entwickeln, seine Abmessungen, seine Masse. Ich versuchte, meine Schuldgefühle zu unterdrücken, aber es gelang mir nicht. Ich hätte sie beschützen müssen. Ich hätte nicht rausspringen dürfen. Ich hätte früher rausspringen sollen. Wir hätten anhalten und die Polizei anrufen sollen. Ich hätte mich den Verfolgern entgegenstellen sollen, schon vor einer Stunde, als sie nur zu zweit oder zu dritt waren.
    Ich hätte sie beschützen müssen.
    Ich hätte schießen, Chaos säen müssen.
    Sie waren in der Überzahl. Ich hatte allein dagestanden und getan, was ich konnte.
    Warum hatte mich Diederik mitgeschickt?
    Ich hätte sie beschützen müssen.
    Nach dreißig Kilometern fragte Lourens tonlos und kaum hörbar: »Hast du eigentlich einen Lkw-Führerschein?«
    »Nein.«
    »Gleich geht’s mir wieder besser.«
     
    In Vaalwater kletterte Floh im hellen Licht einer Tankstelle auf die Käfige und gab den Nashörnern ihre Spritze.
    Die Tankwarte, junge Burschen, warfen uns scheue, misstrauische Blicke zu. Mein Gesicht war blutverschmiert.
    Ich ließ den Lkw volltanken und überprüfte das Fahrzeug. Es schien in Ordnung zu sein. Ich ging auf die Toilette und sah in den Spiegel. Ich war übel zugerichtet. Geschwollenes Auge, ein tiefer Schnitt an der Augenbraue. Flocken von Snakes Gehirn an meinem Ohr. Ich wusch

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