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Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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besuchen, hattet ihr eine gute Fahrt zurück in die Karoo?«
    »Die Nashörner sind topfit«, antwortete ich. »Und wenn ich Floh sehe, frage ich sie, wann sie kommt.«
     
    Der Name der Mutter war Lollie, und sie war ganz anders als die ungeschliffenen Swanepoel-Männer. Uns begrüßte eine schlanke, würdevolle Frau, nicht im konventionellen Sinne schön, aber gepflegt. Ihre Augen funkelten humorvoll, als lache sie gern und oft. Sie ruhte in sich und schien mit sich und ihrem Leben zufrieden zu sein. Das Innere des Hauses überraschte mich. Ich hatte Antilopengeweihe und Häkeldeckchen erwartet, fand aber stattdessen geschmackvolle alte Holzmöbel, Orientteppiche auf glänzenden Holzböden, Originalgemälde an den Wänden und ein breites Bücherbord mit Hardcover-Bänden vor.
    Ihr Einfluss auf Vater Wickus machte sich positiv bemerkbar – er war ein galanter Gastgeber, der Getränke anbot und sich höflich nach unserem Befinden erkundigte. Bei Tisch betete er kurz und ernsthaft. In der Mitte des Tisches stand eine Hühnerpastete mit goldgelber Teigkruste. Lollie hob die Deckel von weiteren Töpfen mit Süßkürbis, gedämpften grünen Bohnen, Bratkartoffeln und Reis.
    »Hmm, lecker!«, sagte Swannie begeistert und griff nach einem Schöpflöffel.
    »Als würde ich nicht jeden Tag kochen«, bemerkte Lollie.
    »Die Gäste zuerst«, mahnte Wickus.
    Er war so taktvoll zu warten, bis alle fertig gegessen hatten, bevor er die entscheidende Frage stellte: »So, und was bringt euch beide hierher?«
    Ich hatte schon den ganzen gestrigen Tag überlegt, wie ich mit ihm umgehen sollte. Das Problem war, dass Wickus und Swannie vermutlich irgendwie an der ganzen Sache beteiligt waren, obwohl ich nicht wusste, inwiefern. In Anbetracht ihrer rechtschaffenen Offenheit wahrscheinlich nur indirekt.
    »Es geht um Floh«, antwortete ich schließlich.
    |221| Die beiden Swanepoel-Männer zogen gleichzeitig die Augenbrauen hoch.
    »Sie hat mitten in der Nacht Diederiks Farm verlassen, ohne vorher Bescheid zu sagen.«
    »Ai«, sagte Lollie.
    »Hat es Unstimmigkeiten gegeben?«, fragte Wickus.
    »Nein. Aber sie hatte versprochen, am nächsten Morgen die Nashörner zu versorgen, und jetzt macht Diederik sich Sorgen.«
    Ich hoffte, das würde reichen. Doch Wickus war nicht dumm. »Das ist doch nicht alles«, sagte er, ohne mir einen Vorwurf zu machen. »Das sagt mir dein Gesichtsausdruck. Und schon allein, dass ihr mit dem Flugzeug hier seid … Ihr müsst mir nicht verraten, was genau passiert ist, vielleicht ist es besser, dass wir es gar nicht wissen. Aber sagt mir eines: Wie ernst ist die Sache?«
    »Sehr ernst.«
    »Jesses«, sagte Swannie. Seine Eltern warfen sich einen beredten Blick zu, als schwante ihnen etwas. Wickus nickte bedächtig. »Wie können wir euch helfen?«
    »Ich hatte den Eindruck, sie stamme hier aus der Gegend«, sagte ich, und mit einem Blick zu Swannie: »Bist du nicht mit ihr zur Grundschule gegangen?«
    »Das ist zwölf Jahre her. Sie ist weggezogen … Wann war das genau?«
    »Neunzehnhundertachtundneunzig«, sagte Lollie.
    »Wohin?«, fragte ich.
    Wieder sahen sich Wickus und Lollie an. »Es hat viel Gerede gegeben«, sagte sie leise.
    »Eine traurige Geschichte«, fügte Wickus hinzu.
    »Jesses«, sagte Swannie.
    »Du warst damals noch zu jung, um davon etwas mitzubekommen«, sagte seine Mutter.
    Wickus schob seinen Teller weg und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Erzähl’s ihm, Lollie. Ich weiß nicht, ob es ihm weiterhilft, aber erzähl’s ihm.«

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    Die meisten Tiere wechseln ständig ihre Schlafplätze und beziehen nur während der Wurfzeit zum Schutz der Jungen ein festes Quartier.
    Die Kunst des Spurenlesens: Die Systematik der Zeichen
     
    Im Duett trugen sie vor.
    Sie begann: »Ihr Vater Louis war ein Freigeist …« Wickus fiel ein: »Er war Spurenleser, und zwar ein Meister seines Fachs, müsst ihr wissen. Heute werden die Spurenleser je nach Ausbildungsstand in Stufen eingeteilt, die höchste ist Master Tracker. Louis wäre so ein Master gewesen, weiß Gott, er war gut.«
    »Er stammte aus der Kalahari«, nahm sie den Faden wieder auf. »Es hieß, er sei in großer Armut aufgewachsen, sein Vater war ein Herumtreiber und Taugenichts, der hier und da auf Farmen Gelegenheitsarbeiten verrichtete. Louis wuchs halb wild auf, unter den Buschleuten. Von ihnen lernte er das Spurenlesen. Er ging selten zur Schule, schaffte nur knapp die achte Klasse, dann half er seinem Vater, der aber starb,

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