Rote Spur
lang, und alle wussten davon, außer Louis, denn niemand hatte den Mut, ihm die Wahrheit zu sagen.«
»Bis dieser Gitarrist auftauchte.« Wickus sprach das Wort aus, als sei es etwas Schmutziges.
|225| »Er kam aus der Kapregion. Lange Haare, enge Hose und weite weiße Hemden, offen bis zum Nabel.«
»Und eine dicke Goldkette zwischen Brusthaaren. Welcher Mann trägt schon freiwillig Schmuck?«
»Er ist überall aufgetreten, in Clubs und Kneipen, obwohl er nicht sonderlich gut war.«
»Einer von denen, dessen Publikum schon ein bisschen was intus haben muss.«
»… bis er schließlich hier im ›Intaba‹ spielte, das war damals so eine Dorfdisko ein bisschen außerhalb …«
»Verlotterte Spelunke.«
»… eine von Drikas Stammkneipen. Er und Drika fanden sich, fingen eine leidenschaftliche Beziehung an, und von da an war sie mehr bei ihm als bei ihrem Kind. Spätabends sang sie angetrunken seine Lieder mit ihm. Da beschlossen die Leute, dass es endgültig reichte. Erst bedrohten einige der Männer den Gitarristen und sagten, er solle seine Sachen packen und verschwinden, und dann sind zwei von ihnen Louis holen gegangen, der damals gerade oben in Nord-Thuli mit einer skandinavischen Jagdgesellschaft unterwegs war. Sie rieten ihm, mit nach Hause zu kommen, seine Frau schlage kräftig über die Stränge.«
»Flohs Vater jagte die beiden davon«, sagte Wickus.
»Erst wollte Louis den Männern nicht glauben, der arme Mann. Aber zwei Tage darauf kam er. Bestimmt musste er erst über alles nachdenken. Als er zu Hause ankam, war Drika mit dem Gitarristen längst über alle Berge. Louis war am Boden zerstört. Er hatte diese Frau über alles geliebt. Die große Tragödie aber war, dass er sich auf die Suche nach ihr machte, doch bis er sie fand, war sie tot. Sie und der Gitarrist waren kurz hinter Sun City mitten in der Nacht von der Fahrbahn abgekommen und eine Brücke hinuntergestürzt. Wahrscheinlich waren sie nicht mehr ganz nüchtern. Jedenfalls waren beide auf der Stelle tot.«
»Jesses«, sagte Swannie.
|226| »Schrecklich«, seufzte Wickus.
»Da zog Louis seine Tochter alleine groß. Das muss für ihn sehr schwer gewesen sein, denn er hat noch viele Jahre um Drika getrauert. Er hat sich vollkommen zurückgezogen, nur gearbeitet, wenn er unbedingt Geld brauchte, und Floh jedes Mal mitgenommen.«
»So hat sie auch das Spurenlesen gelernt.«
»Sie ist praktisch im Veld großgeworden.«
»Manche Leute meinen, sie sei besser als ihr Vater.«
»Ich weiß noch, dass es Schwierigkeiten gab, als sie eingeschult werden sollte. Louis wollte nichts davon hören, und die Fürsorge musste eingreifen, bis er sie widerstrebend im Mädchenwohnheim in der Stadt untergebracht hat. Sie ist mit Swannie zusammen zur Schule gegangen – bis in die wievielte Klasse?«
»In die sechste«, fiel Swannie eifrig ein, froh, auch etwas beitragen zu können. »Man hat sie kaum wahrgenommen, sie war ein verhuschtes Mäuschen, so ein mageres Ding, das mit niemandem redete und immer nur für sich blieb. Sie hat sich wirklich sehr verändert seit damals.« Ungläubig schüttelte er den Kopf, und man sah ihm deutlich an, welchen Eindruck die erwachsene Floh auf ihn gemacht hatte.
»Louis fand schließlich eine feste Anstellung. Deswegen sind sie von hier weggezogen«, sagte Wickus. »Damals boomten die privaten Wildreservate. Leute wie Louis waren plötzlich sehr begehrt, es gab viele neue Jobs, bei denen man gut verdienen konnte. Man bot ihm eine Stelle oben bei Moremi an.«
»In Botswana«, erklärte Lollie.
»Okavango.«
»Die Kinder bekamen Privatunterricht.«
»Das war für Louis das Wichtigste, denn er konnte Floh jeden Tag sehen.«
»Durch den Privatunterricht erhielt sie sicher die Chance, Tierärztin zu werden.«
»Sie sind also von hier weggegangen. Quasi über Nacht. Das ist im Grunde alles, was wir sicher wissen«, sagte Lollie.
|227| »Es gab aber allerlei Gerüchte …«
»Ich weiß nicht, ob man ihnen immer Glauben schenken kann.«
»Die Geschichte mit dem Krokodil ist aber wirklich wahr, Lollie. Div de Goede hat sie mit eigenen Ohren gehört. Und er kennt Frik Redelinghuys gut.«
»Kann sein …«
Swannie konnte seine Neugier nicht unterdrücken. »Was ist das für eine Geschichte mit dem Krokodil?«
»Div hat davon erzählt, es muss so sechs, sieben Jahre her sein. Er ist Vertreter für AfriChem. Die Gebietszentrale liegt in Nelspruit, und Frik gehört zu seinen Großkunden. Er hat also erzählt, die
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