Rote Spur
Leute mit der Moremi-Konzession seien eines Tages bei Frik mit der Nachricht aufgetaucht, Louis sei tot. Ein Riesenkrokodil habe ihn in die Fluten des Okavango gezerrt, und nun wüssten sie nicht, wohin mit Floh. Sie muss, denke ich, etwa siebzehn, achtzehn gewesen sein. Frik sei doch der Großvater, ob sie das Mädchen zu ihm bringen könnten. Frik stand vor ihnen, starrte sie an und schlug ihnen wortlos die Tür vor der Nase zu. Da sind die Leute aus Moremi nach Nelspruit gefahren, in der Hoffnung, dort jemanden zu finden, der sich des Mädchens annehmen könne, vielleicht eine von Friks anderen Töchtern, die schließlich Flohs Tanten waren. Dabei ist Div den Männern irgendwann begegnet, vermutlich in einer Kneipe, denn da sitzt er gerne, und sie haben ihm die ganze Geschichte erzählt. Louis sei im Laufe der Jahre immer verrückter geworden. Manchmal sei er sang- und klanglos verschwunden. Einen Monat später sei er dann wieder aufgetaucht, den Geruch von Strohhütten an sich, und dann hätten sie erfahren, er sei bei den Buschleuten gewesen. Manchmal zündete er ein großes Feuer im Busch an und tanzte darum herum, bis er in Trance fiel.«
»Das kann ich nicht so recht glauben«, sagte Lollie.
»Ich gebe ja nur wieder, was Div gesagt hat. Jedenfalls muss Louis so richtig durchgedreht sein, nachdem die Paviane Floh angegriffen hatten.«
|228| »Jesses!«, rief Swannie.
»Das ist bestimmt barer Unsinn«, wandte Lollie ein.
»Keine Ahnung«, sagte Wickus achselzuckend. »Da oben muss eine lange Dürre geherrscht haben. Der Winter neigte sich dem Ende zu, und die Paviane waren sehr aggressiv, weil es nichts zu fressen gab. Floh ging mit ihrem Hund spazieren, ein kleiner Jack Russell oder so was Ähnliches, sie hing sehr an dem Tierchen. Da begegneten ihr die Paviane und griffen den Hund an. Sie gerieten in einen Blutrausch, das kennt man von ihnen. Floh wollte sie aufhalten, da wurde sie von einem großen Männchen angegriffen. Sie trug furchtbare Kratzer und Schnitte am ganzen Oberkörper und im Gesicht davon. Ihr habt doch ihr Auge gesehen, als sie hier war. Gottlob kamen die Schwarzen angelaufen, bewarfen die Paviane mit Steinen und retteten Floh, aber der kleine Hund hat es nicht überlebt. Von da an behauptete Louis ständig, es sei alles seine Schuld, die Götter zürnten ihm wegen irgendetwas, was er als Kind getan habe. Auf die Frage, was das gewesen sei, antwortete er, er habe Schildkrötenfleisch gegessen, was bei den Buschleuten ein großes Tabu ist. Ich glaube, nur alte Leute dürfen Schildkrötenfleisch essen. Und je mehr man auf ihn einredete, er solle mit dem Unsinn aufhören, desto mehr beharrte er darauf, dass die Götter ihn straften. Er sei schuld an Drikas Tod, an ihrer Untreue, am Tod seines Vaters und am Angriff der Paviane auf Floh. Er müsse sich opfern, das sei der einzige Ausweg.«
Fast unhörbar flüsterte Swannie: »Jesses!«
»So ein Quatsch«, sagte Lollie.
»Nicht für Louis. Jedenfalls behaupteten die Männer in der Kneipe Div gegenüber, Louis hätte sich ans Ufer gesetzt und auf das Krokodil gewartet.«
»Aber warum?«, fragte Swannie.
»Um den Fluch von seiner Tochter abzuwenden.«
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Spurenleser sollten sich in das Wild hineinversetzen, das sie verfolgen, um voraussehen zu können, welchen Weg es genommen haben könnte. Dadurch können sie schon im Voraus erahnen, an welchen Stellen Zeichen zu erwarten sind, ohne Zeit damit zu vergeuden, danach Ausschau zu halten.
Die Kunst des Spurenlesens: Grundlagenwissen
Lollie führte Lotter ins Arbeitszimmer, damit seine Frau ihm das Fax mit der Fluggenehmigung senden konnte. Ich trank zusammen mit den Swanepoel-Männern im Wohnzimmer Kaffee. »Und wo wollt ihr von hier aus hin?«, fragte Wickus.
»Zu Ehrlichmann«, sagte ich ganz direkt.
»Aha«, sagte er. Was bedeutete, dass er wusste, wer er war.
»Woher kennst du Ehrlichmann?«
»Durch die Hilfe für die Leute in Simbabwe«, antwortete er. »Ehrlichmann war schon ganz zu Anfang dabei.«
»Hilfe für die Leute in Simbabwe?«
»Als dieser Mistkerl von Mugabe den Leuten ihre Farmen abgenommen hat, war vielen Farmern schon früh bewusst, dass sie ihre Habseligkeiten schnell außer Landes schaffen mussten. Wir haben die Sachen hier durchgeschmuggelt. Hausrat, Vieh, Maschinen, Autos, Traktoren, Anhänger, Werkzeug, Dollars, teilweise ganze Pappkartons voll, kaum zu glauben. Verdammt, einmal haben wir eine ganze Zigarettenfabrik rübergeschmuggelt, weiß der
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