Rote Spur
aufgehen. Er schaltete das Licht ein und schloss die Tür hinter sich. Ich blieb sitzen, das Schrotgewehr auf den Schrankeingang gerichtet.
Lichtstreifen fielen durch die Lamellenzwischenräume. Plötzlich wurde der Fernseher eingeschaltet. Die Übertragung eines |265| Fußballspiels, gerade so laut, dass ich seine Bewegungen nicht mehr hören konnte.
Drei Minuten später fing im Bad Wasser an zu laufen. Klang nach der Dusche. Das perfekte Kameramotiv. Ich ließ ihm noch genügend Zeit, die Wassertemperatur zu regeln und in die Dusche zu steigen. Ich stand auf, nahm die Kamera, schaltete sie ein und stellte sie auf Automatik. Mit dem Fotoapparat in der linken und der MAG in der rechten Hand verließ ich den Schrank, schloss die Tür zum Flur ab und betrat das Badezimmer.
Inkunzi stand unter der Dusche, mit dem Rücken zu mir. Er seifte sich gerade ein. Breite Schultern, starke Arme, Narben früherer Messerstechereien.
Er sang leise auf Zulu.
Ich hob die Kamera, wartete, bis sie sich automatisch scharf gestellt hatte, und zielte mit der MAG.
»Julius!«, rief ich leise.
Er drehte ruckartig den Kopf. Ich drückte den Auslöser, der Blitz erhellte sein verdutztes Gesicht.
Er fluchte, aus Ärger wurde Wut. Ich machte noch eine Aufnahme, steckte die Kamera ein, hielt das Gewehr in beiden Händen, hob es an die Schulter und zielte auf sein Gesicht. »Ein Schatten aus der Vergangenheit«, sagte ich.
»Was?«, fragte er, denn das Wasser strömte noch immer über ihn. Er hatte sich noch nicht von seiner Verblüffung erholt.
»Dreh die Hähne zu.«
Er brauchte einen Moment, bis er zu sich kam, und stellte dann das Wasser ab.
»Eine zweite MAG7«, sagte ich. »Nicht sehr zielgenau, aber aus dieser Entfernung würde sie dir das Knie glatt wegblasen. Wir werden uns also leise unterhalten, denn wenn ich jemanden draußen vor der Tür höre, werde ich schießen. Verstanden?«
Es war ihm peinlich, so nackt und entblößt dazustehen. Seine geröteten Augen verrieten, dass er getrunken hatte. An seinem leicht geschwollenen Mund und der Nase waren noch die dunklen Blutergüsse unserer letzten Begegnung zu erkennen.
|266| »Hinsetzen«, befahl ich.
Er ging langsam in die Knie, mit erhobenen Händen. Vernünftig. Er kauerte sich so hin, dass er instinktiv seine Geschlechtsteile schützte.
Mit kaltem Hass sah er mich an. »Du bist ein toter Mann!«
»Das ist ein Thema, über das wir reden müssen, Julius. Niemand braucht von dieser … peinlichen Begegnung zwischen uns zu erfahren. Oh, bevor ich es vergesse …« Ich holte die Kamera wieder heraus ein und machte noch ein Foto.
Er fluchte, lange und blumig.
»Solltest du je auf die Idee kommen, mir oder irgendjemandem aus meiner Bekanntschaft nachzustellen, werde ich diese Fotos im Bull Run und in der Polizeidienststelle von Sandton aufhängen, unter die Scheibenwischer deines X5 klemmen, sie an die Boulevardblätter und jeden deiner Konkurrenten und Helfer schicken und sie ins Internet stellen. Und ich werde allen erzählen, wie leicht es war, den Bullen in seinem Kraal zu zähmen. Wenn du mir jedoch versprichst, dass unser Gespräch vertraulich bleibt, hast du nichts zu befürchten.«
Ich ließ ihm Zeit, darüber nachzudenken, erhielt jedoch keine Antwort. Sein Gesicht war wutverzerrt.
»Komm schon, Julius, du hast einen Ruf zu verlieren. Vor allem, nachdem Floh van Jaarsveld, auch als Cornél bekannt, uns beide an der Nase herumgeführt hat.«
Ich erkannte, dass der Name ihm etwas sagte.
»Die Diamanten waren tatsächlich auf dem Lkw.«
Er glaubte mir nicht. »Du lügst!«
»Erinnerst du dich an die Geschwüre auf der Haut der Nashörner, diese ekligen rosafarbenen Auswüchse? Das war nichts als Plastik, Inkunzi. Und darin steckten die Diamanten. Ich musste gestern bis rauf nach Simbabwe, bevor ich mir auf alles einen Reim machen konnte. Aber du wusstest von der Fracht. Du solltest dich fragen, wieso ich mir die Mühe machen sollte, heute Abend hierherzukommen, wenn ich von den Diamanten gewusst hätte. Warum sollte ich lügen? Die Wahrheit ist, dass |267| Floh mir etwas gestohlen hat, was ich wiederhaben will. Du suchst die Steine. Wir könnten uns gegenseitig helfen.«
Er verarbeitete das Gesagte und richtete sich halb auf. »Gib mir den Morgenmantel«, bat er mit nüchterner Stimme und deutete auf das weiße Kleidungsstück, das an einem Haken an der Wand hing. Verhandeln ist ein Geben und Nehmen. Ich warf es ihm zu. Er drapierte den Stoff über sich. »Wie
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