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Rote Spur

Rote Spur

Titel: Rote Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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verbergen, sondern auch vor anderen Tieren, die es warnen könnten.
    Die Kunst des Spurenlesens: Grundlagenwissen
     
    Timing war alles. Und ein bisschen Glück.
    Ich nahm an, dass Inkunzi über das bestmögliche Alarmsystem verfügte – Weitwinkel-Bewegungsmelder draußen, die kleineren Infrarotsensoren innen. Und ich ging davon aus, dass er alle Tore per Fernbedienung schloss, sobald er hereinkam. |260| Zwischen dem Aus- und Einschalten der Alarmanlage lag mein Zeitfenster.
    Ich ging zwei große Risiken ein: dass ein Patrouillenfahrzeug mich bemerkte, bevor er auftauchte, oder dass einer seiner Komplizen mich sah, wenn ich über die Mauer sprang. Dafür benötigte ich ein Quäntchen Glück.
    Das Problem war, dass er länger brauchte, als ich gedacht hatte. Ich stand im Schatten eines Jakarandabaums, zwanzig Meter von Inkunzis Mauer entfernt, holte die Handschuhe hervor und streifte sie über. Hängte die schwarze Tasche über die Schulter und wartete. Ich hörte das Rauschen des Verkehrs auf der N1, das eintönige Jaulen einer Autoalarmanlage, ein Motorrad, das mit jedem Hochschalten aufheulte.
    Zehn Minuten. Keine Bewegung. Keine Patrouillenfahrzeuge.
    Fünfzehn Minuten.
    Waren sie noch irgendwo anders hingefahren? Hatten sie jemanden nach Hause gebracht? Oder abgeholt?
    Zwanzig Minuten. Mein Glück schien mich im Stich zu lassen.
    Zweiundzwanzig Minuten. Scheinwerfer bogen in die Straße ein.
    Ich verbarg mich hinter dem Baumstamm und hoffte, dass er dick genug war.
    Die Lichter huschten über mich hinweg und verschwanden. Ich sah mich um. Drei Leute saßen im BMW und warteten darauf, dass das Tor sich langsam öffnete. Ich würde schnell sein müssen.
    Das Tor stand offen. Er fuhr rein. Ich rannte los.
    Dann sah ich ein weiteres Auto in die Straße einbiegen. Es fuhr langsam. Eine Sicherheitspatrouille?
    Ich warf die Tasche über die Mauer, sprang, erwischte die Oberkante, glitt mit den Laufschuhen an der glatt verputzten Wand ab, zog mich verzweifelt hoch.
    Oben. Ich rutschte hinüber, ließ mich fallen und rollte mich ab. Das Gelände an der Stelle war zu offen. Ich sprang auf, |261| suchte die Tasche. Sie lag auf einem Rasenstück. Ich hörte, wie sich ein automatisches Garagentor schloss. Ich hob die Tasche auf und eilte zwischen den Sträuchern auf das Haus zu.
    Wie viel Zeit hatte ich, bis sie den Alarm wieder aktivierten?
    Es war ein massives Haus, modern gestaltet. Drei Ebenen schmiegten sich an das Hanggrundstück. Der tiefste Punkt lag am weitesten von mir entfernt, östlich, ganz hinten. Ich rannte am südlichen Ende des Gebäudes entlang, wo sich vermutlich die kleineren Fenster befanden, die zu Badezimmern und Abstellräumen gehörten.
    Im Inneren des Hauses wurden Lichter eingeschaltet, links von mir, in dem Teil, der dem Eingang am nächsten lag. Ich musste mich weiter von ihnen entfernen.
    Ich rannte den gepflasterten Weg dicht am Haus entlang. Fenster, zu hoch, um sie zu erreichen.
    Eine Treppe, ich wäre beinahe gestürzt. Ebene zwei. Die Fenster lagen noch immer zu hoch. Meine Zeit lief ab.
    Wieder Stufen, die dritte Ebene, erreichbare Fenster, meine Zeit war um. Das erste Fenster, in Brusthöhe, gerade groß genug, um hindurchzuschlüpfen. Ich holte ein T-Shirt aus meiner Tasche, wickelte es um meine Hand und schlug mit voller Wucht gegen die Scheibe. Sie fiel nach innen, ein kurzes Klirren, zu laut für meinen Geschmack. Ich steckte die Hand durch die Öffnung, drehte den Griff, drückte das Fenster weit auf, warf erst das T-Shirt, dann die Tasche hindurch, kletterte hinterher und stieß das Fenster zu.
    Ich bemerkte einen Kontaktsensor. War der Innenalarm ausgeschaltet?
    Ich befand mich in einer Toilette. Die Tür war geschlossen. Ich kniete mich hin, stopfte das T-Shirt zurück in die Tasche, holte die MAG heraus, lud sie mit sechs Patronen.
    Die Sekunden tickten vorbei. Nichts geschah.
    Phase eins erfolgreich abgeschlossen.
    Hoffentlich.
     
    |262| Phase zwei wäre einfach gewesen, wenn nicht ein erschwerender Faktor hinzugekommen wäre: Ich musste eine Möglichkeit finden, mit Inkunzi unter vier Augen zu reden. Ich musste meine Angelegenheiten klären, ohne dass seine Kumpel erfuhren, dass ich hier gewesen war, denn wenn ich den Bullen vor seinen Gefolgsleuten in seiner Ehre kränkte, wenn ich dafür sorgte, dass er als Bandenchef sein Gesicht verlor, würde er uns verfolgen.
    Doch ich plante, seinen Status geschickt zu meinem Vorteil auszunutzen. Ich musste ihm beweisen, dass er

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