Roter Drache
abnehme und dich aufsetzen lasse? Versuch nicht wegzulaufen. Ich könnte dich jederzeit wieder fangen. Wirst du also schön brav sein?«
Sie verdrehte ihren Kopf krampfhaft zu einem Nicken.
Die Berührung von kaltem Stahl an ihrer Haut, gefolgt vom Wispern eines Messers durch Stoff, und ihre Arme waren frei. Jetzt ihre Beine. Ihre Wangen waren an der Stelle feucht, an der er ihr zuletzt den Knebel abnahm.
Vorsichtig und ganz langsam setzte sie sich im Bett auf. Versuch dein Bestes.
»D.«, begann sie. »Ich konnte doch nicht wissen, daß dir so viel an mir liegt. Ich finde es wundervoll, daß es so ist, aber damit hast du mir doch einen ganz schönen Schrecken eingejagt.«
Keine Antwort. Doch sie wußte, daß er ganz in ihrer Nähe war.
»War es dieser dumme Junge Ralph Mandy, D., der dich so aufgebracht hat? Hast du ihn vor dem Haus gesehen? Das war es doch, nicht wahr? Ich habe ihm doch nur gesagt, daß ich ihn von nun an nicht mehr sehen wollte. Weil ich in Zukunft nur noch dich sehen will. Ich werde mich mit Ralph nie wieder treffen.«
»Ralph ist tot«, sagte Dolarhyde. »Ich glaube nicht, daß er gern gestorben ist.«
Das phantasiert er nur so. Mein Gott, wie ich hoffe, daß er sich das nur einbildet. »Ich habe dir nie im Leben weh getan, D. Das stand nie in meiner Absicht. Laß uns doch einfach nur gute Freunde sein und miteinander ins Bett gehen und uns ganz lieb haben. Aber vergessen wir doch diesen ganzen Unsinn.«
»Sei still«, gebot er ihr vollkommen ruhig. »Jetzt werde ich dir etwas sagen. Das Wichtigste, was du je zu hören bekommen wirst. So wichtig wie die Bergpredigt - oder die Zehn Gebote , wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ja, D. Ich -«
»Du sollst still sein, habe ich gesagt. Reba, in Birmingham und Atlanta haben sich bemerkenswerte Dinge zugetragen. Weißt du, wovon ich spreche?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Es kam ständig in den Nachrichten. Zwei Personengruppen wurden verändert. Leeds. Und Jacobi. Die Polizei denkt, sie wären ermordet worden. Weißt du jetzt, was ich meine?«
Sie wollte eben wieder den Kopf schütteln. Doch dann fiel es ihr plötzlich ein, und sie nickte - sehr langsam.
»Weißt du, wie sie das Wesen nennen, das diese Menschen heimgesucht hat? Jetzt darfst du sprechen.«
»Die Zahn -«
Eine Hand packte ihr Gesicht und würgte den Laut ab. »Denk noch einmal gut nach, und dann antworte richtig.«
»Irgendwas mit Drachen. Drache... roter Drache.« Er war ganz dicht über ihr. Sie konnte seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren.
»ICH BIN DER DRACHE.«
Vor der Lautstärke und dem furchteinflößenden Timbre der Stimme unwillkürlich zurückzuckend, schlug sie mit den Kopf gegen das Kopf teil des Betts.
»Der Drache will dich, Reba. Er hat dich schon immer gewollt. Ich wollte dich Ihm nicht überlassen. Ich habe heute etwas getan, damit Er dich nicht haben konnte. Aber das war falsch von mir.«
Das war nun D. Mit D. konnte sie sprechen. »Bitte, bitte laß mich ihn nicht haben. So etwas würdest du doch nie tun. Bitte, tu’s nicht. Ich gehöre doch dir. Behalte mich bei dir. Du magst mich doch; das weiß ich ganz sicher.«
»Ich weiß noch nicht, wie ich mich entscheiden soll. Vielleicht komme ich nicht umhin, dich Ihm zu überlassen. Ich weiß es nicht. Erst einmal werde ich mich vergewissern, ob du auch wirklich das tun wirst, was ich dir sage. Wirst du das? Kann ich mich auf dich verlassen?«
»Ich werde es versuchen. Ich werde mir alle nur erdenkliche Mühe geben. Aber mach mir nicht zuviel Angst, sonst kann ich es nicht.«
»Steh auf, Reba. Stell dich neben das Bett. Weißt du, wo du dich im Raum befindest?« Sie nickte. »Du weißt doch auch, wo du dich im Haus befindest? Du bist doch im Haus herumgegangen, während ich geschlafen habe, oder nicht?«
»Während du geschlafen hast?«
»Stell dich nicht dümmer, als du bist. Als wir gemeinsam die Nacht hier verbracht haben. Du bist doch durchs Haus gegangen, nicht wahr? Bist du auf irgend etwas Ungewöhnliches gestoßen? Hast du es an dich genommen und jemand anderem gezeigt? Hast du das getan, Reba?«
»Ich bin nur nach draußen gegangen. Du hast noch geschlafen, und ich bin nach draußen in den Garten gegangen. Ehrenwort.«
»Dann weißt du also auch, wo die Eingangstür ist?«
Sie nickte.
»Reba, fühl mal an meiner Brust. Heb ganz langsam deine Hände.«
Sollte sie nach seinen Augen zu stoßen versuchen?
Mit Daumen und Zeigefinger drückte er ganz leicht gegen ihren Kehlkopf. »Laß lieber bleiben, was du gerade
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