Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
dumpfes Zischen. Im Raum wurde es plötzlich merklich heißer. Rauch. Feuer. Genau davor hatte sie am meisten Angst. Vor dem Feuer. Alles, nur das nicht. Sie hoffte, der erste Schuß würde sie sofort töten. Bereit, jeden Augenblick loszustürzen, spannten sich ihre Beinmuskeln.
Schluchzen. »Ach Reba, ich kann es nicht mitansehen, wie du verbrennst.«
Der Lauf der Flinte löste sich von ihrem Hals.
Beide Schüsse lösten sich gleichzeitig, als sie aufsprang.
Die Ohren wie taub, dachte sie erst, er hätte sie erschossen, sie wäre tot, bis sie das dumpfe Aufschlagen auf dem Boden mehr spürte als hörte.
Der Rauch kam näher, untermalt vom Knistern der Flammen. Feuer. Das Feuer riß sie aus ihrer Betäubung. Sie spürte bereits die Hitze an ihren Armen und in ihrem Gesicht. Bloß raus hier. Sie trat auf Beine, taumelte würgend und keuchend gegen das Fußende des Betts.
Duck dich unter dem Rauch hindurch, hatte sie gelernt. Und laß dir Zeit, sonst stößt du dir nur den Kopf an und verlierst das Bewußtsein.
Sie war eingeschlossen. Eingesperrt. Geduckt gehend, die Finger über den Boden tastend, fand sie die Beine - nein, das andere Ende; sie ertastete Haar, einen behaarten Lappen, legte ihre Hand in etwas Weiches unter dem Haar. Nichts als breiige Masse, scharfe Knochensplitter und darin ein loses Auge. Der Schlüssel um seinen Hals... schnell. Beide Hände an der Kette, Beine unter ihr, ein kräftiger Ruck. Die Kette riß, so daß sie rückwärts stürzte, um sich sofort wieder hochzurappeln. Verwirrt drehte sie sich herum. Verzweifelt versuchte sie sich tastend zu orientieren, mit ihren tauben Ohren etwas anderes zu hören als das Knistern der Flammen. Die Seite des Betts... welche Seite? Sie stolperte über die Leiche, versuchte zu lauschen.
BONG, BONG, das Schlagen der Uhr. BONG, BONG. Hier die Tür. Unter dem Griff. Nicht fallen lassen. Dreh den Schlüssel herum. Und dann die Tür auf. Luft. Die Rampe runter. Luft. Sie sank auf den Rasen nieder, richtete sich mühsam auf alle viere auf, kroch weiter.
Sie erhob sich kniend und klatschte in die Hände, um das Echo vom Haus aufzufangen und dann weiter von ihm fortzukriechen. Sie atmete tief durch, bis sie aufstehen konnte.
Schließlich ging sie los, fiel in Laufschritt, bis sie gegen etwas stieß, fing sich und lief weiter die Auffahrt hirtunter.

49. K APITEL

    F rancis Dolarhydes Haus ausfindig zu machen, erwies sich als nicht gerade einfach. Die in den Firmenunterlagen aufgeführte Adresse war ein Postfach in St. Charles.
    Selbst im Sheriff-Büro von St. Charles mußten sie sich erst eine Verteilernetzkarte beim Elektrizitätswerk ansehen, um ganz sicher zu gehen.
    Eine Delegation des Sheriffs erwartete das Sondereinsatzkommando aus St. Louis auf der anderen Seite des Russell, worauf der kleine Konvoi auf dem State Highway 94 weiter in Richtung Norden fuhr. Ein Hilfssheriff neben Graham im Wagen an der Spitze zeigte ihnen den Weg.
    Crawford beugte sich vom Hintersitz nach vorn; er nuckelte an etwas zwischen seinen Zähnen, während er angespannt durch die Windschutzscheibe starrte. Am nördlichen Stadtrand von St. Charles herrschte kaum Verkehr - ein Pickup voller Kinder, ein Greyhound-Bus, ein Abschleppfahrzeug.
    Bereits kurz hinter St. Charles sahen sie den Lichtschein am Horizont.
»Dort ist es!« Der Hilfssheriff deutete durch die Windschutzscheibe. »Das muß es sein.«
Graham trat aufs Gas. Der Lichtschein nahm an Intensität und Umfang zu, während sie den Highway entlangbrausten.
Crawford schnippte mit den Fingern nach dem Mikrofon.
»An alle Einheiten - was da vorne brennt, ist sein Haus. Von nun an ist also äußerste Vorsicht geboten. Vielleicht kommt er uns entgegen. Sheriff, legen Sie doch hier gleich eine Straßensperre an.« Eine dicke, funkensprühende Rauchwolke wölbte sich nach Südosten über die umliegenden Felder und nun auch über sie.
»Hier«, sagte der Hilfssheriff. »Biegen Sie in diesen Kiesweg ab.«
Und dann erblickten sie die Frau, deren Silhouette sich schwarz gegen das Feuer abhob, sahen, wie sie die Polizeiwagen nahen hörte und ihre Arme hochwarf.
Gleichzeitig loderten die Flammen nun bereits durch das Dach und die Fensteröffnungen; die brennenden Deckenbalken und Fensterrahmen beschrieben träge, züngelnde Bögen in den klaren Nachthimmel, und der in Flammen aufgehende Kombi kippte plötzlich zur Seite, während im nächsten Augenblick auch schon das orange Filigran der brennenden Bäume abrupt ausgeblasen und verdunkelt

Weitere Kostenlose Bücher