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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Durchfahrt. Er und Graham schritten nebeneinander die in den Kies gedrückten Reifenspuren des Kombi ab. Selbst so früh am Morgen brannte die Sonne schon unangenehm heiß vom Himmel herab.
    »Ich an Ihrer Stelle würde mir schleunigst einen Hut besorgen«, riet Springfield Graham. Er selbst hatte sich einen flotten Strohhut tief in die Stirn gedrückt.
    Der Drahtzaun an der Rückseite des Gartens der Leeds’ war von Schlingpflanzen überwuchert. Sie blieben vor dem Leitungsmasten mit dem Stromzähler stehen.
    »Wenn er sich dem Haus von hier genähert hat, konnte er die gesamte Rückseite überblicken«, bemerkte Springfield.
Schon nach fünf Tagen begann das Grundstück der Leeds’ einen leicht verwahrlosten Eindruck zu machen. Der Rasen war ungleichmäßig hoch, und an manchen Stellen sprossen bereits die wilden Zwiebeln. Auf der Fläche hinter dem Haus lagen mehrere abgefallene Zweige herum. Graham hätte sich am liebsten gebückt, um sie aufzuheben. Das Haus schien noch in tiefem Schlaf zu liegen; die langen Morgenschatten der umstehenden Bäume waren auf das Dach der Veranda geworfen.
Während Graham mit Springfield in der Durchfahrt stand, konnte er sich selbst dabei sehen, wie er durch das Küchenfenster spähte und dann die Tür zur Veranda öffnete. Seltsamerweise schien ihm jetzt, bei Tageslicht, seine Rekonstruktion, wie der Mörder sich Zutritt zum Haus verschafft hatte, zu entgleiten. Er beobachtete, wie eine Kinderschaukel in der leichten Brise träge hin und her schwang.
»Der Kerl dort sieht doch ganz nach Parsons aus«, sagte Springfield unvermutet.
Er deutete auf einen Mann, der bereits am frühen Morgen ein Blumenbeet harkte. Springfield und Graham gingen zwei Häuser weiter zu H. G. Parsons’ rückwärtigem Gartentor und blieben neben seinen Abfalltonnen stehen, deren Deckel mit einer Kette am Zaun befestigt waren.
Springfield maß mit einem Maßband die Höhe von Parsons’ Stromzähler ab.
Er hatte ausführliche Unterlagen über sämtliche Nachbarn der Leeds’ dabei. In denen von Parsons stand, daß er auf den Wunsch seines Vorgesetzten frühzeitig seinen Dienst bei der Post quittiert hatte. Nach Angaben des Vorgesetzten hatte Parsons eine ›zunehmende Geistesabwesenheit‹ an den Tag gelegt. Springfields Aufzeichnungen enthielten auch allerlei Klatsch. Laut Aussagen der Nachbarn wohnte Parsons’ Frau, solange es ihr möglich war, bei ihrer Schwester in Macon, und sein Sohn rief ihn überhaupt nicht mehr an.
»Mr. Parsons«, rief Springfield nun nach ihm. »Mr. Parsons.«
Parsons lehnte seinen Rechen gegen die Hauswand und trat an den Zaun. Er trug Sandalen und weiße Socken. Die Zehenspitzen waren von Erde und Gras braun und grün verfärbt. Sein Gesicht erstrahlte in leuchtendem Rosa.
Arteriosklerose, dachte Graham.
»Ja?«
»Hätten Sie vielleicht einen Augenblick für uns Zeit, Mr. Parsons«, fragte ihn Springfield mit ausgesuchter Höflichkeit. »Vielleicht könnten Sie uns in einer bestimmten Sache weiterhelfen.«
»Sind Sie etwa vom Elektrizitätswerk?«
»Nein, ich bin Buddy Springfield von der Mordkommission.«
»Ach so, dann ist es also wegen des Mordes. Ich habe doch Ihren Kollegen bereits gesagt, daß meine Frau und ich in Macon waren, als es -«
»Ich weiß, Mr. Parsons. Wir wollten sie wegen Ihres Stromzählers fragen. Hat -«
»Falls dieser... Zählerableser gesagt hat, ich hätte irgend etwas Unrechtmäßiges getan, dann -«
»Nein, nein, Mr. Parsons, nicht, was Sie denken. Haben Sie vielmehr letzte Woche einen Fremden Ihren Zähler ablesen sehen?«
»Nein.«
»Sind Sie sicher? Meines Wissens haben Sie Hoyt Lewis gegenüber doch geäußert, jemand anderer hätte den Zähler bereits vor ihm abgelesen.«
»Das stimmt. Und langsam wird es auch Zeit, daß die beim Elektrizitätswerk etwas in dieser Sache unternehmen. Ich habe vor, demnächst schriftlich Beschwerde einzulegen.«
»Selbstverständlich, Sir. Man wird der Sache dann bestimmt auf den Grund gehen. Aber wen haben Sie nun eigentlich Ihren Zähler ablesen sehen?«
»Jedenfalls keinen Fremden. Es war jemand von Georgia Power.«
»Woher wissen Sie das?«
»Na, weil er wie ein Zählerableser aussah.«
»Was hatte der Mann an?«
»Na, was die alle anhaben, denke ich. Was haben die nur gleich wieder an? So einen braunen Overall und eine Mütze, glaube ich.«
»Haben Sie sein Gesicht gesehen?«
»Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe gerade aus dem Küchenfenster geschaut, als ich ihn sah. Ich wollte mit ihm

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